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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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ich würde keinen zweiten Gedanken an ihn verschwenden. Wenigstens ist Joelle auch dabei , tröstete ich mich.
    Kurz darauf riefen Dagua die Geschäfte der Gilde, und er verschwand im Labyrinth der Residenz. Doch die Hohe Meisterin Ujuna machte mir mit einer Bewegung klar, dass ich noch bleiben solle.
    Mit langsamen Schritten kam sie näher, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Ich habe den Rat überzeugt, dass wir dir eine ganz besondere Aufgabe anvertrauen können.«
    Das ist fast zu viel für einen Tag , dachte ich wie betäubt. »Was für eine Aufgabe?«
    »Es geht um einen besonderen Gegenstand. Eine alte, silberne Schale, in die folgendes Symbol eingeprägt ist ...« Sie gab mir ein Blatt, und ich studierte es. Das Symbol sah ein wenig aus wie ein »T« mit geschwungenen Verzierungen, die es umgaben wie ein Nest von jungen Wasserschlangen.
    »Diese Schale ist für die Wasser-Gilde sehr wichtig«, fuhr Ujuna fort. »Leider ist sie vor achtzig Wintern gestohlen wollen, und seither ist es niemandem gelungen, sie zu finden. Vielleicht bringst du es fertig. Aber du musst über diesen Auftrag schweigen, auch anderen Agenten der Wasser-Gilde oder einem anderen Mitglied des Hohen Rates gegenüber.«
    Zum zweiten Mal war ich verblüfft. Nicht mal Dagua durfte ich davon erzählen? »Wieso denn das?«, wollte ich wissen. »Außerdem werde ich Fragen stellen müssen, um die Spur der Schale verfolgen zu können.«
    Ich spürte, dass Ujuna irritiert war. Vermutlich war sie nicht gewohnt, dass einer ihrer Untergebenen nachhakte oder widersprach. Dennoch antwortete sie mir.
    »Wir wissen nicht mehr, wem wir trauen können. Du hast den Vorteil, dass du bisher nichts mit dem Rat zu tun hattest. Aber es wäre gefährlich, wenn jemand von deiner Mission erführe. Natürlich darfst du trotzdem nach der Schale fragen, wenn du ihrer Spur folgst, anders geht es nicht. Aber achte genau darauf, mir wem du sprichst.«
    Ich nickte. Allerdings bereiteten mir die vielen Ungereimtheiten ihrer Geschichte Sorgen. Warum zum Beispiel hatte der Rat nicht direkt nach dem Diebstahl nach der Schale forschen lassen, warum hatte er achtzig Winter gewartet? Warum hatte er nicht längst die besten Sucher Dareshs, Leute wie Udiko, mit dieser Suche beauftragt – oder waren sie schon daran gescheitert? Was war so besonders an dieser Schale? Ich musste dringend mehr über die Sache erfahren. Jede Suche hat eine verborgene Wahrheit, die unter der Oberfläche liegt , hallten Udikos Worte in meinem Kopf nach. »Wisst Ihr, wer das Ding damals gestohlen haben könnte?«
    »Ja. Aber als wir den Dieb fanden, hatte er die Schale schon weiterverkauft. Sie gelangte nach Alaak, wurde dort eingetauscht und wieder verkauft – danach verliert sich ihre Spur. Mehr wissen wir nicht.« Jetzt stand Ujuna nur noch eine halbe Armlänge von mir entfernt – viel näher als nötig. Ich spürte ihre Nähe sehr stark und war nicht immun dagegen. Und ich spürte auch, dass sie keine weiteren Fragen beantworten würde. Sie sagte schlicht: »Du übernimmst die Aufgabe also?«
    Habe ich eine Wahl? , dachte ich. Ja, die habe ich. Ich kann ablehnen, mir eine Luftkuppel irgendwo in Vanamee bauen lassen und mich dort als Sucher niederlassen. Allein die Vorstellung brachte mich zum Gähnen. Außerdem gefiel mir das mit dem Buchstaben »T« auf der Schale. T wie Tjeri.
    »Ich nehme die Suche an«, sagte ich zu Ujuna.
    Damals wusste ich noch nicht, wie teuer mich diese Worte zu stehen kommen würden.
    Wenn die Sonne bei klarem Himmel über dem Seenland aufgeht, ist das ein Anblick, den man nicht so schnell vergisst. Ich saß auf der kleinen Landbrücke bei Xanthu und blickte über das glitzernde Wasser hinweg, das bis zum Horizont reichte. Kein Laut brach die Stille. Lange hockte ich an meinem letzten Tag dort ganz allein, und verabschiedete mich vom Seenland. Ich glaube, in diesen Momenten wurde mir erst wirklich bewusst, was Vanamee mir bedeutete.
    Auch der Abschied von Udiko fiel mir schwer. Ihm schien es genauso zu gehen, denn er wirkte bedrückt an unserem letzten gemeinsamen Abend.
    »Such dir so bald wie möglich jemanden, der dir das Spurenlesen beibringt«, knurrte er. »Du wirst sehen, in den anderen Provinzen ist es viel leichter, als Sucher zu arbeiten. Jeder Mensch, der über festen Boden geht, hinterlässt Spuren.«
    »Klingt gut«, erwiderte ich und hatte ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken, dass ich während meiner Reise vielleicht monatelang kein offenes Wasser sehen

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