Der Sucher (German Edition)
Eltern Mija Nikobus gehört? Ich glaube, sie leben sogar die meiste Zeit über an Land. Außer in der Stinger-Saison natürlich.«
»Oh.« Wider Willen war ich beeindruckt und ein bisschen neidisch. Mija Nikobus, auch die Lilieninsel genannt, liegt in der Nähe des Irawai-Sumpfes und ist einer der schönsten Flecken Land von ganz Vanamee. Die ganze Flachwasserzone und Küste der Insel ist dicht an dicht mit lilafarbenen Schwertlilien bewachsen.
Tassos, durch das wir gerade wanderten, war weit weniger idyllisch. Bisher sah es aus, als bestände die ganze Provinz der Feuer-Gilde aus hitzeflimmernder Wüste.
Mit zusammengebissenen Zähnen stapften wir über Dünen aus schwarzem Vulkansand, der von der Sonne glühend heiß war, über spitze Lavabrocken und karge Ebenen. Zu blöd, dass wir nach dem Willen des Rates noch ein ganzes Stück durch Tassos mussten, bis wir nach Norden abbiegen durften – Alaak war angeblich sehr viel grüner.
»Vielleicht können wir uns ein Dhatla kaufen«, sagte Joelle und setzte sich den breitkrempigen Hut auf, den sie sich gegen die grausame Sonne gebastelt hatte. »Du weißt schon, eins von diesen wasserscheuen Riesenreptilien, auf denen man reiten kann. Fragt sich nur, wie viel so ein Vieh kostet.«
»Ein Dhatla?« Ich schöpfte kurz Hoffnung. Aber nur kurz. »Ich habe noch nie eins gesehen. Keine Ahnung, was man für so ein Tier bezahlt. Aber nicht weniger als 30 Tarba, schätze ich.«
Wir hatten vom Rat eine Reisekasse von gerade mal fünf Tarba mitbekommen. Heute weiß ich, dass es absichtlich viel zu wenig war, um uns auf bequeme Art durch Tassos bis nach Alaak zu bringen. Es stellte eine Prüfung dar – wer es nicht bis zu seinem ersten Einsatzort schaffte, hatte versagt. Wer Glück hatte, wurde dann von einem erfahrenen Sucher nach Vanamee heimgeholt. Wer weniger Glück hatte, blieb verschollen.
Tagsüber versuchten wir, Merwyn wenigstens im Blick zu behalten. Zum Glück machte er ab und zu Pause, sonst hätten wir nicht mal das geschafft.
»Ganz schön gut zu Fuß«, meinte Joelle. »Woher weiß er eigentlich, wo er langgehen muss? Hat er vom Rat eine Karte bekommen?«
Trotz meiner Schmerzen musste ich lächeln. »Er ist Sucher. Das heißt, er hat alle Karten, die er braucht, im Kopf und orientiert sich tagsüber an der Sonne, nachts an den Sternen. Was auch immer uns auf dieser Reise passieren wird, verirren werden wir uns wahrscheinlich nicht.«
Ohne nachzudenken, reichte ich zu meiner Schulter, um meinen Salamander zu streicheln – und ließ traurig die Hand sinken, als mir einfiel, dass er nicht da war. Ich hatte ihn bei Udiko zurücklassen müssen; ohne Wasser konnte er nicht überleben. Konnte ich es?
Wenigstens einen Vorteil hatte es, dass Merwyn so weit vorausging. An seinen Spuren verpasste ich mir eine erste Lektion im Fährtenlesen. Auf hartem Boden oder Fels war es nicht ganz leicht, aber für den geschulten Blick eines Suchers waren die winzigen Bodenveränderungen, die seine Schritte hinterließen, auffällig genug.
Kopfschüttelnd beobachtete mich Joelle. »Wenn du immer auf den Boden glotzt, verpasst du ja die ganze Landschaft.«
Das stimmte natürlich nicht, ich blickte immer wieder auf und prägte mir die Merkmale der Umgebung ein. Wer durch Udikos harte Schule gegangen war, der vergaß das nie. »Sag mir einfach Bescheid, falls ein Monster auf uns zurennt«, sagte ich, nahm ein paar gierige Schlucke aus meinem Wasserbeutel und wischte mir den Schweiß ab. Dann heftete ich den Blick wieder auf die Spuren im Sand, die gerade auf äußerst interessante Weise zuwehten. Das lenkte mich wenigstens ein bisschen von meinen Füßen ab.
Als die Sonne sank, machte Merwyn Halt. Von weitem sahen wir, dass er begann, zwischen ein paar großen Felsen unser Lager aufzubauen. Na, Erin sei Dank, dachte ich. Es kostete mich das letzte Quäntchen Kraft, mich bis dorthin zu schleppen.
Als wir ankamen, war Merwyn gerade dabei, Cayoralblätter in eine Kanne kochendes Wasser zu streuen. »Na, sind die Fußkrüppel auch schon da?«, begrüßte er uns höhnisch.
Ich fühlte mich zu elend, um mir eine passende Antwort einfallen zu lassen. Doch Joelle sprang für mich ein. »Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?«, fuhr sie ihn mit blitzenden Augen an. »Was wäre gewesen, wenn wir Hilfe gebraucht hätten? Du warst so weit voraus, dass wir dich nicht mal hätten rufen können!«
»Zarbas Rache, wir sind alle ausgebildete Meister und jetzt auch noch Agenten des
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