Der Sucher (German Edition)
Rates«, murrte Merwyn. »Eigentlich sollte jeder von uns auf sich selbst aufpassen können.«
»Das ist doch Schwachsinn! Bis Alaak reisen wir als Gruppe. Und in einer Gruppe hilft man sich gegenseitig.« Ungläubig blickte Joelle auf die Kanne hinunter. »Sag mal, hast du nur Cay für dich selbst aufgesetzt?«
Schnell holte Merwyn die Dose und warf noch ein paar Blätter nach. »Hab mich nur verschätzt.«
Während die beiden diskutierten, hatte ich Gelegenheit, Merwyn eingehender zu mustern. Er hatte nicht wie Joelle und ich eine schlichte dunkelblaue Tunika angezogen, sondern trug nur Langhosen – vielleicht wollte er, dass sein muskulöser Oberkörper gut zur Geltung kam. Das war zwar der Fall, aber schadenfroh sah ich, dass er sich dabei einen schlimmen Sonnenbrand geholt hatte. Dort, wo er sich seine Taschen an zwei breiten, gekreuzten Lederriemen umgehängt hatte, liefen helle Streifen quer über seine gerötete, nackte Brust.
Auf den Riemen der Taschen und auf seinen Sachen trug er neben seinem Namenszeichen zwei persönliche Symbole: das Zeichen für Zarbas, den mächtigen Gott des Winters, und eine Lilie.
Inzwischen hatten Joelle und Merwyn die Frage von vorhin ausdiskutiert. »Gut, dann helfen wir uns eben gegenseitig«, sagte Merwyn gelangweilt und wandte sich an mich. »Ich habe das Lager gerichtet – wie wär‘s, wenn du kochst, Kleiner?«
Moment mal. Udiko durfte mich so nennen, aber sonst niemand! »Geht klar, Pickelgesicht«, gab ich zurück.
Manche Dinge sollte man nur sagen, wenn man bewaffnet ist. Merwyn war mehr als zwei Handbreit größer als ich, und ich bezweifelte sehr, dass ich genauso stark war wie er. Außerdem hing an seinem Gürtel eine eigenartige Waffe, die er heute Morgen noch nicht getragen hatte – eine grüne, unterarmlange, gebogene Klaue, die mit einem Handgriff versehen worden war.
Joelle reagierte schnell und trat zwischen uns, bevor Merwyn mich erreichte. »Sagt mal, was ist eigentlich los mit euch?! Gut, macht nur, haut euch zusammen, dann gehe ich eben allein weiter und ihr könnt dem Rat in allen Einzelheiten erklären, warum ihr euren Auftrag nicht erfüllen konntet!«
Das brachte uns ziemlich rasch zur Vernunft.
Merwyn setzte sich und begann düster, Cayoral auszuschenken. Meinen Becher stellte er natürlich außer Reichweite. Ich ließ ihn stehen und machte mich erst einmal daran, meine Füße notdürftig zu verarzten. Sie sahen übel aus.
»Auch was gefällig für den Sonnenbrand?«, fragte ich Merwyn und hielt ihm die Salbe hin. Meine Bemerkung vorhin war unter der Gürtellinie gewesen, und eigentlich tat sie mir schon Leid.
»Was für ein Sonnenbrand? Das ist Bräune«, behauptete er.
Ich verkniff mir eine Bemerkung und steckte die Salbe in mein Gepäck zurück. Sollte er leiden, war mir doch egal. Meine Gedanken wandten sich Merwyns Waffe zu. Wo er sie wohl herhatte? Wahrscheinlich gab es von diesen Dingern in Vanamee nicht mehr, als man an einer Hand abzählen konnte.
Natürlich bemerkte Merwyn meinen Blick. »Na, so was hast du noch nie gesehen, was?«
»Hübsches Ding«, meinte ich. »Ich wette, ich weiß, was es sein könnte.«
Es war mehr ein Reflex. Wie fast alle Wasser-Leute wette ich gerne und beim geringsten Anlass. Merwyn schien keine Ausnahme zu sein, er sprang sofort drauf an. »Um was wetten wir?«
»Ums Kochen heute, morgen und übermorgen.«
»Geht klar. Also, was denkst du, könnte es sein?«
»Eine Salisar-Klaue. Aus dem Lixantha-Dschungel.«
Merwyn glotzte mich verblüfft an. Woher hätte er auch wissen können, dass eine dieser seltenen Klauen von der anderen Seite Dareshs zu Udikos Sammlung von Merkwürdigkeiten gehörte? Udiko hatte sie von einem Mann, der im Dschungel verschollen gewesen war. Irgendwie hatte es der Kerl geschafft, so lange zu überleben, bis Udiko ihn zurückholen konnte.
Wettschulden nicht zu begleichen, gilt in Vanamee als ein Verbrechen erster Ordnung. Ich machte es mir auf meiner Decke bequem, während Merwyn sich fluchend zu unserer Kochausrüstung begab.
Joelle setzte sich neben mich und reichte mir schweigend meinen Becher Cayoral. Ich dankte ihr und blickte sie so lange an, wie ich mich traute. Sie hatte ein rundes, sommersprossiges Gesicht und eine kleine, etwas knubbelige Nase. Hübsch hätte man sie nicht nennen können. Aber wenn sie lächelte, blitzte in ihrem Gesicht ein koboldhafter Charme auf, der mir sehr gefiel. Plötzlich musste ich daran denken, wie wir uns auf dem Markt in Xanthu
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