Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Südstern oder Das Land der Diamanten

Der Südstern oder Das Land der Diamanten

Titel: Der Südstern oder Das Land der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Naturerscheinung gerade auf der Höhe dieser kahlen Hochfläche überrascht, welche keinen einzigen Baum trug und kein Felsstück zeigte, das einigen Schutz hätte gewähren können. Nichts als der nackte, ausgetrocknete Erdboden und alles ringsum von herabsinkendem Regen verhüllt, der nach und nach Decken, Kleidung und Alles bis auf die Haut durchtränkte.
    Die Lage war in der That eine kritische, und doch mußte er sich wohl oder übel mit derselben abfinden. Unter jetzigen Verhältnissen einen Abstieg zu versuchen, wäre die reine Tollheit gewesen. Cyprien ließ sich denn auch ruhig bis auf die Knochen durchnässen, indem er darauf rechnete, sich am Morgen in der warmen Sonne wieder zu trocknen.
    Nachdem die erste Unannehmlichkeit überwunden, sagte sich Cyprien, daß dieser Regen – eine erfrischende Douche nach der Trockenheit der vorhergehenden Tage – wie um sich über sein Mißgeschick zu trösten, eigentlich etwas recht wünschenswerthes sei; eine der peinlichsten Folgen bestand aber darin, daß er sein Essen, wenn auch nicht ganz roh, so doch ganz kalt genießen mußte. Ein Feuer anzuzünden, oder selbst nur ein Streichhölzchen bei solchem Wetter in Brand zu setzen, daran war gar nicht zu denken. Er begnügte sich also, eine Büchse mit conservirtem Fleisch zu essen, und dasselbe zu verzehren, wie es eben war.
    Eine oder zwei Stunden später gelang es dem jungen Ingenieur, der von dem Regen halb erstarrt war, doch einzuschlafen, wobei er den Kopf auf einen großen, mit seiner tropfenden Decke belegten Stein stützte.
    Als er mit dem Morgenrothe erwachte, war er – die Beute eines hitzigen Fiebers geworden.
    Unter der Einsicht, daß er verloren sei, wenn er einer solchen Douche noch länger ausgesetzt blieb – denn der Regen fiel noch immer in Strömen herab – raffte sich Cyprien mit aller Anstrengung auf, erhob sich auf die Füße und begann, auf seine Büchse wie auf einen Stock gestützt, den Berg wieder hinabzuklettern.
    Wie er unten ankommen würde, das hätte er sich freilich selbst nur schwer sagen können. Bald auf den erweichten Lehnen halb rollend, bald über das nasse Felsgestein gleitend, erschöpft, vermochte er doch seinen Weg fortzusetzen, und gelangte gegen Mittag nach dem Lagerplatze, wo er seine Giraffe zurückgelassen hatte.
    Das Thier war, jedenfalls ungeduldig, weil es sich so allein befand, oder vielleicht auch getrieben durch den Hunger, denn in dem großen Kreise, dessen Radius sein Stock gebildet hatte, war das Gras abgefressen, davongelaufen. Jedenfalls hatte es zuletzt den Strick, der dasselbe hielt, angenagt, und war, nachdem es diesen durchbissen, frei geworden.
     

    Cyprien kletterte zerschlagen und keuchend… (S. 199.)
     
    Cyprien hätte diesen neuen Schlag des Mißgeschickes gewiß viel schwerer empfunden, wenn er sich in normalem Zustande befunden hätte. Die unendliche Schlaffheit und die Erschöpfung ließen ihm jedoch kaum die Kraft. Als er ankam, konnte er sich nur noch auf seinen Reisesack werfen, der keinen Regen durchließ und den er zum Glücke wieder fand, warf sich hierauf schnell noch in trockene Kleider und brach dann aber unter dem Schutze eines Baumes, der das Lager beschattete, zusammen.
    Nun begann für ihn eine Periode wunderlichen Halbschlafes, von Fieber und Delirien, in der sich alle Wahrnehmungen vermischten, wo Zeit, Raum und Entfernung für ihn keine Bedeutung mehr hatten. War es Nacht oder Tag? Herrschte Regen oder Sonnenschein? Befand er sich hier seit zwölf oder sechzig Stunden? Lebte er noch oder war er todt? Er wußte sich über nichts Rechenschaft zu geben. Liebliche Träume und peinliches Alpdrücken lösten einander auf der Bühne seiner Einbildung ab. Paris, die Bergwerksschule, der väterliche Herd, die Farm der Vandergaart-Kopje, Miß Watkins, Annibal Pantalacci.
    Hilton, Friedel, Legionen von Elephanten, Matakit und große Vogelschwärme, die einen grenzenlosen Himmel bedeckten, alle Empfindungen, alle Antipathien, Alles, was er liebte und haßte, prallte in seinem Gehirn, wie in unzusammenhängendem Kampfe, gegeneinander. An die Fiebergestalten schlossen sich dann noch zuweilen äußere Eindrücke.
     

    »Cyprien!… Mein Freund!… (S. 202.)
     
    Wahrhaft schrecklich war vorzüglich ein solcher, als der Kranke inmitten eines vollen Ungewitters von bellenden Schakals, vom Geschrei von Tigerkatzen und dem Grinsen von Hyänen ängstlich diese Bilder seines Deliriums verfolgte und einen Flintenschuß zu hören glaubte, auf den es

Weitere Kostenlose Bücher