Der Südstern oder Das Land der Diamanten
Die schimmerndsten Färbungen, die merkwürdigsten Formen und auffallendsten Schnittwinkel charakterisirten diese zahllosen Krystallisationen Hier sah man, nicht wie in den meisten Grotten, nur einfache Anhäufungen von Quarz in Säulen, die sich einförmig immer wiederholen; die Natur schien vielmehr ihrer Phantasie völlig freien Spielraum gelassen zu haben, alle Zusammenstellungen von Farben und Effecten zu erschöpfen, wozu sich ja die Verglasung ihrer Mineralienschätze – wenn man so sagen darf – vorzüglich eignete.
Felsen von Amethysten, Mauern von Sardonix, Bänke von Rubinen, Nadeln von Smaragden, Säulengänge von Saphir, welche wie Weidenbäume tiefe Wälder bildeten, Eisberge von Aquamarin, Girandolen von Türkisen, Spiegel von Opalen, Gänge von rosa Gyps und Lapis lazuli mit Goldadern – Alles, was das Mineralreich nur Kostbares, Seltenes, Durchsichtiges und Glänzendes bieten konnte, hatte als Material zu diesem bezaubern den Bauwerke gedient. Allerlei Formen, sogar solche aus dem Pflanzenreiche, schienen bei diesem, die menschliche Einbildungskraft weit hinter sich lassenden Werke verwendet zu sein. Tapeten aus mineralischem Moose von derselben Sammetweiche wie der feinste Rasen, krystallinische Baumgeslechte mit Blumen und Früchten aus edlem Gestein erinnerten stellenweise an die Feengärten, welche die Japanesen zuweilen so naiv bei ihren Illuminationen nachzuahmen suchen.
Weiterhin bot ein See, bestehend aus einem einzigen Diamanten von zwanzig Meter Länge, der in dem Sande versenkt lag, offenbar Schlittschuhläufern seine Spiegelfläche an. Lustige Paläste aus Chalcedon Kioske und Glockenthürmchen aus Beryll und Topas, erhoben sich Stockwerk über Stockwerk so hoch, bis das durch ihren Glanz ermüdete Auge ihnen weiter zu folgen versagte. Endlich bildeten die Spalten der Lichtstrahlen durch diese ungezählten Tausende von Prismen, das Funkenfeuerwerk, welches von allen Seiten aufschoß und in Garben wieder niederfiel, die erstaunlichste Symphonie von Licht und Farben, welche mehr als hinreichend war, das Auge des Menschen vollkommen zu blenden.
Cyprien Méré konnte jetzt nicht länger in Zweifel sein. Er, sah sich in eines jener geheimnißvollen Becken versetzt, deren Vorkommen er schon so lange geahnt, in welchen die Natur die kostbarsten Edelsteine anhäufen und krystallisiren lassen konnte, welche sie den Menschen auch in den reichsten Fundstätten nur als vereinzelte unzusammenhängende Bruchstücke zukommen läßt Zuerst versucht, an der Wirklichkeit dessen, was er vor sich sah, zu zweifeln, hatte es doch, als er beim Vorüberkommen an der ungeheuren Krystallbank über dieselbe mit seinem Ring strich, hingereicht, ihm zu beweisen, daß dieselben dem Geritztwerden vollständig widerstand.
Das war hier also Diamant, Saphir und Rubin, was diese ausgedehnte Höhle barg, und das in so enormer Menge, daß der Preis des Ganzen, wenn man an denselben den für jene Mineralstoffe gebräuchlichen Maßstab anlegte, sich jeder Berechnung entzog. Nur astronomische Zahlen hätten davon eine annähernde, wenn auch nur unsichere Vorstellung gewähren können. Hier lagen unbekannt und unbenützt wirklich Trillionen und Quadrillionen an Werth begraben.
Daß Tonaïa von dem ungeheuren Reichthum, der hier zu seiner Verfügung stand, etwas wüßte, war kaum anzunehmen, denn auch Pharamond Barthès, der in solchen Dingen freilich unbewandert war, schien keinen Augenblick zu ahnen, daß diese Krystalle alle die edelsten Gesteine waren.
Der Negerkönig hielt sich ohne Zweifel nur für den Herrn und Besitzer einer ziemlich merkwürdigen Höhle, deren Geheimniß zu bewahren ihn ein Orakelspruch oder irgend eine Art Ueberlieferung zu bestimmen schien.
Diese Anschauung fand noch dadurch weitere Bestätigung, daß Cyprien bald eine ziemlich bedeutende Anhäufung menschlicher Gebeine fand, welche da und dort in Winkeln der Grotte lagen. Bildete dieselbe den Begräbnißplatz des Stammes oder – freilich eine schrecklichere aber wahrscheinlichere Annahme – diente dieselbe früher oder vielleicht auch noch jetzt zur Abhaltung schauerlicher Feste, bei denen Menschenblut, vielleicht zu kannibalischen Zwecken, in Menge vergossen wurde?
Pharamond Barthès neigte der letzteren Anschauung zu und sagte das auch heimlich seinem Freunde.
»Uebrigens hat Tonaïa mir versichert, daß eine solche Ceremonie seit seiner Uebernahme der Herrschaft niemals stattgefunden habe, setzte er hinzu. Ich gestehe aber, daß der
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