Der Suender und die Lady
ein. Sie tröstete sich, dass jeder Mensch, der über einen Funken Verstand verfügte, Angst vor ihrem Vater haben würde. „Onkel Seth stellt bereits Nachforschungen an“, log sie hastig. „Es steht zu befürchten, dass Mirandas Entführer sie irgendwo verkaufen wollen. Mich haben sie in Ruhe gelassen, weil ich nicht in ihr Bild passe. Es ist genauso, wie du Mama und mir berichtet hast. Schreckliche Männer, die Menschen kaufen und verkaufen, als wären sie Stoffballen.“
„Verstehe“, sagte Reginald Hackett gedehnt. „Belügst du mich auch nicht? Sie hat dich nicht etwa überredet, irgendeinen Unsinn über Sklavenhändler zu verbreiten, um zu vertuschen, dass sie mit irgendeinem jungen Windhund durchgebrannt ist, der glaubt, diese völlig mittellose Göre zu lieben?“
„Nein! Papa, es ist wahr!“
„Und du hast ihr nicht geholfen, mit Hilfe dessen, was ich euch erzählt habe, diese Geschichte zu erfinden? Los, los – sag die Wahrheit!“
Regina sprang auf. „Ich mag ja manches sein, Papa, aber ich bin keine Lügnerin!“
Sein Wutschrei ließ den Kronleuchter über Reginas Kopf erzittern. „Verdammt will ich sein, wenn du keine Lügnerin bist!“
Regina setzte sich wieder und hoffte, den plötzlichen Drang, aus dem Zimmer zu flüchten, verbergen zu können. Ihr war nicht klar gewesen, dass er sie so gut kannte. „Papa, bitte …“
„Du bist meine Tochter, oder? Du kannst gar nicht anders als lügen, wenn es dir in den Kram passt. Das ist das einzig Gute an dir, abgesehen von deinem ordentlichen Marktwert.“
Regina verspürte Verbitterung. „Ich habe auch einigermaßen schöne Zähne“, sagte sie leise. Doch er hatte sie gehört.
Er stürzte den Rest seines Gins hinunter und stellte das leere Glas auf einen Tisch in seiner Nähe, bevor er wie zur Entschuldigung, die er sicher nicht ernst meinte, die Arme ausbreitete. „Du brauchst ein dickeres Fell, weiter nichts, Mädchen. Ich stelle nur Tatsachen fest. Schon gut, schon gut, lassen wir das. Genug von deiner traurigen Räubergeschichte, ja? Ihr habt heute Abend Unfug im Sinn gehabt, ihr zwei, und du bist um Haaresbreite mit deinen einigermaßen schönen Zähnen davongekommen, deine Cousine aber nicht. Beim nächsten Mal hast du vielleicht nicht so viel Glück. Aber ein nächstes Mal gibt es nicht, oder?“
Sie ließ unübersehbar die Schultern hängen. Er wusste es. Woher wusste er es? „Nein, Sir.“
„Deine Cousine hat dich also nicht in irgendwelche Fluchtpläne hineingezogen? Sie ist wirklich entführt worden. Seth weiß es?“
Regina nickte. „Er will am Morgen Bow Street Runner engagieren.“
„Und mir schon wieder in die Tasche greifen“, knurrte Reginald. „Sie ist es kaum wert, höchstens unter dem Aspekt, am Abend deine Begleitung zu sein.“
Regina griff nach diesem Strohhalm. „Ich kann nicht darauf zählen, dass Mama mich zu all den Veranstaltungen begleitet, die ich auf deinen Wunsch hin besuchen soll. Und wenn Miranda nicht gefunden wird, wird Tante Claire dermaßen am Boden zerstört sein, dass sie nicht meine Anstandsdame spielen kann. Niemand darf erfahren, dass Miranda verschwunden ist, und wenn sie wohlbehalten wieder da ist, ist alles so, als wäre nichts gewesen.“
„Ha! Wenn du das glaubst, Mädchen, dann glaubst du wohl jeden Unsinn.“ Er stapfte hinüber zu dem Sessel, in dem sie saß, und blieb direkt vor ihr stehen. Baute sich drohend vor ihr auf. „Vermutlich liegt sie in diesem Moment in irgendeiner dreckigen Spelunke auf dem Rücken, wird festgehalten und muss sich die Beine spreizen lassen, während Hinz und Kunz mit ihr machen, was sie wollen. Sie nehmen sie auf Arten, die selbst dem Teufel noch nicht eingefallen sind, und je lauter sie schreit, desto mehr Spaß macht es ihnen. Halte dir gefälligst nicht die Ohren zu, Mädchen! Du hörst mir jetzt zu! Ich weiß es. Besser für sie, wenn sie am Morgen tot wäre, so sehe ich die Sache, und selbst dein idiotischer Onkel Seth weiß es, verlass dich drauf. Allzu lange wird er nicht nach ihr suchen. Tot oder eine billige Hure, mehr ist von deiner vornehmen Cousine nicht geblieben. Und du wirst es dir jetzt zweimal überlegen, ob du noch einmal auf die Idee kommst, von dem Weg abzuweichen, auf den ich dich geschickt habe, du dummes Ding, ist das klar? Ob das klar ist?!“
Die Vorstellungen, die die groben Worte ihres Vaters in Reginas Bewusstsein heraufbeschworen hatten, schnitten ihr schmerzhaft ins Herz, während sie unbewusst die Schenkel
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