Der Suender und die Lady
Geländer ab und streckte der Zofe den rechten Fuß entgegen, die rasch in die ihr zugedachte Rolle schlüpfte. Regina hatte ihr anscheinend mitgeteilt, was es mit dem morgendlichen Besuch im Park auf sich hatte, und sich ihrer Unterstützung versichert.
„Jemand hat dich beobachtet. Du warst nicht allein. Hat dein Vater Verdacht geschöpft?“
Sie senkte den Kopf, als würde sie mit der Zofe sprechen. „Mein Vater weiß alles. Er hat mich auf dem Ball gesehen.“
„Und jetzt hast du einen Beschatter.“
Um ein Haar hätte sie den Kopf gedreht, um ihn anzusehen. „Einen was?“
Puck lächelte über ihre Empörung. „Und er wird dir auf den Fersen sein, wohin du auch gehst. Auch jetzt ist er dir auf der Spur – nein, dreh dich nicht um! Je länger du ihn in dem Glauben lässt, dass du ihn nicht bemerkst, desto mehr freut er sich und vernachlässigt seine Überwachung.“
„Ach“, sagte sie leise. „Aber was sollen wir tun? Er darf mich nicht mit Ihnen sehen. Die Frage nach Ihrem Namen habe ich meinem Vater nicht beantwortet.“
„Ein zu allem entschlossener Mann wird die Antwort problemlos selbst finden. Dein Onkel wird ihm vermutlich mit Begeisterung behilflich sein.“
„Miss?“ Hanks, dem Boden näher, als ihr lieb war, wirkte ein wenig beklommen. „Meine Knie tun so weh.“
„Oh, entschuldige, Hanks.“ Regina stellte den Fuß wieder auf den Boden und löste sich von dem Geländer. „Ich muss gehen. Falls Sie die ganze Zeit hier auf mich gewartet haben, ist Ihnen doch sicher etwas eingefallen, wie wir uns treffen können?“
„Frech. Ja, das ist es. Du bist frech. Ich wusste gar nicht, dass mir das an einer Frau gefällt“, stellte Puck fest und hätte sie am liebsten in die Gasse gezerrt und sie bis zur Besinnungslosigkeit geküsst. „Setze deinen Heimweg fort und gehe ins Haus. Warte zehn Minuten, komm dann wieder nach draußen, wende dich nach rechts und biege dann an der Hausecke noch einmal rechts ab. Ich warte dort auf dich.“
„Aber – aber meine Beschattung?“
„Der Kerl rechnet bestimmt nicht damit, dass du so bald wieder auftauchst, und vermutlich ist seine Mittagszeit bereits überschritten. Sobald er glaubt, dass du sicher im Haus bist, wird er irgendein Gasthaus aufsuchen und seine Mahlzeit trinken. Falls er noch nicht fort ist, wenn du deinen Kopf zur Tür hinausstreckst – übrigens, ein hübscher Hut, wenngleich ich lieber mehr von deinem Gesicht sehen würde –, wirst du meinen Warnpfiff hören. Dann muss ich mir etwas anderes überlegen.“
„Und das wäre?“, fragte Regina und kramte in ihrem Pompadour, als würde sie etwas suchen.
Zuerst die eingehende Beschäftigung mit ihrem Schuh, jetzt die Suche in ihrem Pompadour, und beides war perfekt inszeniert, während sie gleichzeitig mit ihm sprach. Sie war blitzgescheit. Sie war die geborene Schauspielerin … Oder einfach geboren, um zu täuschen. Oder um zu erfreuen.
„Miss, wir müssen jetzt wirklich gehen.“
„Ich weiß nicht“, sagte Puck. Er konnte es nicht lassen. „Wie geräumig sind eure Schornsteine?“
Regina reckte das Kinn vor und marschierte, eindeutig unbeeindruckt von seiner Antwort, den Gehsteig entlang. Puck drückte sich tiefer in die Schatten der Häuser und beglückwünschte sich zu seinem guten Geschmack. Er hatte das passende Wort benutzt, als er sie Gaston beschrieb. Sie war wirklich umwerfend.
Und dann machte er sich davon, lief durch enge Gassen, bis er auf dem Gehsteig von Berkeley Square wieder auftauchte und dem Mann, der Regina immer noch folgte, fast den Weg abgeschnitten hätte. Er sah zu, wie der Mann weiterging, und kam zu dem Schluss, dass der Bursche, seinem unverkennbar breitbeinigen Gang nach zu urteilen, ein Seemann war oder zumindest gewesen war.
Seeleute trugen meistens Messer statt Pistolen bei sich, und gewöhnlich steckten diese in ihrem Hosenbund. Puck verwahrte diese Information in seinem Gedächtnis, ging weiter und folgte dem Beschatter, bis dieser an der Tür vorbeigegangen war, die sich vor so kurzer Zeit hinter Regina geschlossen hatte. Dann hielt Puck weiterhin in angemessenem Abstand Schritt mit ihm, als er den Square verließ und nach links abbog. Drei Straßenzüge weiter gelangten beide zu einer kleinen, verschwiegenen Kellerkneipe, die zum großen Teil von den Dienstboten der Umgebung regelmäßig besucht wurde. Der Beschatter trat ein und wurde von mehreren Gästen begrüßt, die ihn erkannt hatten, bevor die Tür sich wieder
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