Der Suender und die Lady
etwas unternommen haben, zermürbt die Nerven.“
„Ja, Miss. Sie sollen es nicht wissen, aber Mr Puck hat heute Morgen ebenfalls mit ihrer Ladyschaft geredet, und er hat ihr nahezu versprochen, dass Lady Miranda sehr bald schon gesund und wohlbehalten zu Hause sein wird.“
Regina war sicher, dass ihr mehrere Haare mitsamt den Wurzeln ausgerissen wurden, als sie abrupt auf ihrem Stuhl herumfuhr. „Was hat er? Wie konnte er das tun?“
Hanks war eine praktische Frau mit geringer Vorstellungskraft. Sie zuckte lediglich die Achseln und sagte: „Vermutlich, indem er den Mund aufmachte und die Worte aussprach, Miss. Er hat sie so glücklich gemacht.“
„Er hat ihr falsche Hoffnungen gemacht, sonst nichts.“ Regina war aufgebracht.
Wieder zuckte die Zofe die Achseln. „Wenn sie weint, könnte es genauso gut wegen unnötiger Ängste sein. Auch wenn wir gar nichts wissen, ist doch Hoffen besser als Angst haben, oder? Für beides bleibt Zeit genug, wenn wir wissen, was richtig ist. Und ihre Ladyschaft hat heute Morgen mit Appetit ihr Frühstück verzehrt, und ich finde, Miss, das ist nicht allzu schrecklich.“
Regina lenkte ein. „Nein, das ist es wohl nicht. Wie viele Nadeln willst du noch in meinen Kopf stechen, Hanks? Ich habe das Gefühl, als wären es schon Hunderte.“
„Ich schätze, es reicht jetzt, Miss. Und jetzt müssen wir herausfinden, wie das Ding hier gehandhabt wird“, sagte Hanks, griff nach der Perücke und musterte sie kritisch. „Ah, hier ist vorn, meinen Sie nicht auch? Halten Sie jetzt still, Miss, damit wir fertig werden.“
Ein paar Minuten und mehrere kleine Nachbesserungen später war Regina bereit, in ihre Rolle der trauernden Witwe zu schlüpfen.
Sie war von Kopf bis Fuß in Schwarz gehüllt, die Röcke waren ziemlich weit – Kleider aus einer längst vergangenen Zeit, mit schwarzen Schleifchen hier und da und Knöpfen aus Gagat. Dazu trug sie fingerfreie Halbhandschuhe aus schwarzer Spitze. Die schwarzen Stiefeletten wurden bis zum Knie geschnürt und waren nicht nur altersrissig, sondern auch noch zwei Nummern zu groß. Ihr jetzt kohlschwarzes Haar wurde von einem langen schwarzen Schleier bedeckt, der gleichzeitig sehr wirkungsvoll ihr Gesicht verbarg. Sie trug einen großen Pompadour, ebenfalls schwarz, den ein Sträußchen schwarzer Rosen zierte, und Hanks reichte ihr einen großen schwarzen Schirm mit braunem Holzgriff.
„Ich würde mich selbst nicht erkennen“, sagte Regina, als sie sich in dem hohen Spiegel im Ankleidezimmer musterte. „Außerdem glaube ich, ich würde einen großen Bogen um mich machen. Alles stinkt nach Kampfer.“
„Ja, Miss, das stimmt wohl. Das liegt daran, dass nicht jeden Tag gestorben wird und Kleider eingemottet werden. Hier ist das letzte Zubehörteil, das Mr Puck persönlich geschickt hat.“ Indem sie das sagte, griff sie nach Reginas linker Hand und schob ihr einen schweren Goldring auf den Finger. Die Mitte zierte ein Smaragd, beinahe so groß wie ihr Fingerknöchel.
Regina streckte die Hand aus, um den Ring zu bewundern, runzelte dann jedoch die Stirn. „Warum um alles in der Welt will er, dass ich so etwas trage? Der Ring fällt überall auf; man wird sich an ihn erinnern. Ich jedenfalls würde mich erinnern.“
„Danach müssen Sie wohl Mr Puck fragen“, sagte Hanks, hastete zur Tür, die auf den Flur führte, und öffnete sie. „Er wartet schon auf Sie.“
Regina warf einen letzten Blick auf ihr Spiegelbild, nahm das schwarze spitzengesäumte Taschentuch entgegen, das Hanks ihr in die Hand drückte, ging zur Tür und hielt noch einmal inne, um zu fragen: „Du magst ihn, nicht wahr? Mr Puck, meine ich.“
Hanks wurde rot bis unter die Haarwurzeln. „Ich bin nicht so alt, dass ich keinen Blick für einen hübschen Mann hätte“, sagte sie leise. „Und er sagt immer ‚Danke, Hanks‘, wenn ich etwas für ihn getan habe, zum Beispiel, als ich den Ring hier für ihn besorgt habe. Er kennt meinen Namen. Und er bedankt sich bei mir.“
„Und er ist hübsch“, wiederholte Regina, bemüht, nicht zu lächeln.
„Hübscher als mancher andere, ja, Miss. Vielleicht nur nicht heute Morgen.“
Reginas Interesse war geweckt. Sie lief die Treppe hinunter zum Salon, wo Puck ihr den Rücken zuwandte und etwas in seiner Hand betrachtete.
Auch er war völlig schwarz gekleidet. Der weit geschnittene Mantel war bestimmt schon seit einem Jahrzehnt oder mehr aus der Mode, seine Hosen waren ziemlich ausgebeult und seine weißen
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