Der süße Hauch von Gefahr
zuzuschreiben. Ich hätte ihm nie erlauben sollen, so bei uns ein und aus zu gehen, wie er es letzten Sommer getan hat. Ich kannte schließlich seinen Ruf, allerdings hätte ich nie gedacht …« Er atmete tief ein und erklärte dann:
»Aber um deine Frage zu beantworten, wenn deine Schwester ihn haben wollte … wenn sie ihn liebte …« Er seufzte schwer.
»Ich nehme an, ich würde letztlich meine Einwilligung zu ihrer Hochzeit geben.« Neugierig sah er sie an.
»Warum fragst du?«
Sie verzog das Gesicht.
»Ach, es ist nur, dass es so viel einfacher wäre, wenn sie sich in ihn verguckt hätte.«
»Jetzt sag aber nicht, dass du es gerne sehen würdest, wenn ein Unschuldslamm wie Thalia mit einem Lebemann wie Ormsby verheiratet würde.«
Juliana schüttelte den Kopf.
»Ich würde Himmel und Erde in Bewegung setzen, um das zu verhindern«, erwiderte sie mit Nachdruck.
»Er ist all das, was du eben genannt hast – ein Wüstling und Lebemann. Nein, ich würde es niemals wollen, dass Thalia mit jemandem wie Ormsby verheiratet wird.«
»Aber was unternehmen wir dagegen?«, fragte Mr Kirkwood.
»Ormsby hat alle Trümpfe auf der Hand. Wenn ich Caswell nicht seiner Wege schicke und Thalias Hand Ormsby gebe, dann, so schwört er, werde er die Briefe Caswell geben oder sie veröffentlichen. Was auch eintritt, das Glück deiner Schwester wäre in Scherben. Sie wäre am Boden zerstört, ihr Ruf in Fetzen, wenn die Briefe bekannt werden.«
Juliana senkte den Blick, sie konnte die Verzweiflung in seinen Augen nicht länger ertragen. Die Worte ihres Vaters enthielten nichts als die Wahrheit, und wenn es ihnen nicht gelang, die Briefe in ihren Besitz zu bringen, sah Thalias Zukunft trüb aus. Wenn Caswell sie wegen der Briefe fallenließ, würde es Thalia das Herz brechen, und es würde viel Gerede geben. Die Verlobung war noch nicht öffentlich gemacht worden, aber alle rechneten jeden Tag mit der Ankündigung. Die Gerüchte würden sich überschlagen, wenn Caswell und Thalia plötzlich getrennte Wege gingen. Selbst wenn Caswell Thalia so liebte, wie Juliana glaubte, und sie dennoch heiratete, wäre Thalia immer noch nicht in Sicherheit. Geschlagen und Thalia an einen anderen verloren, wäre Ormsby sehr wohl fähig, die Briefe trotzdem herumzuzeigen, einfach aus Rachsucht – und das Wissen um die Briefe und ihren vertraulichen Inhalt würde dazu führen, dass Thalia angestarrt und über sie geflüstert werden würde. Ihr gesellschaftlicher Rang würde sie nicht notwendigerweise schützen, und viele Gastgeberinnen der guten Gesellschaft würden sie nicht einladen.
Thalia würde Ormsby niemals heiraten, dessen war sich Juliana sicher, aber er konnte sie immer noch ruinieren. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Dieser verflixte Ormsby, überlegte sie wütend. Er war bösartig genug, die Briefe öffentlich zu machen, nur um Thalia dafür zu strafen, dass sie ihn abgewiesen hatte. Die bittere Tatsache blieb bestehen; solange Ormsby die Briefe besaß, lag Thalias Zukunft in seinen Händen.
»Was sollen wir tun?«, fragte Mr Kirkwood erneut und unterbrach Julianas Gedanken.
Mit mehr Zuversicht, als sie empfand, sagte sie:
»Wir holen uns die Briefe zurück. Ganz einfach.«
»Aber wie?«, rief ihr Vater und starrte sie an, als hätte sie den Verstand verloren.
Juliana stand auf und schüttelte die Falten ihrer Röcke aus.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete sie, »aber ich bin mir sicher, dass mir noch etwas einfällt.« Sie ließ ihn ihre eigenen Bedenken nicht sehen, sondern lächelte ihn an und sagte aufmunternd:
»Wir können jetzt im Augenblick nichts tun, daher schlage ich vor, dass wir genau das machen, was wir vorhatten, und am Ende der Woche nach Hause zurückkehren. Vergiss nicht, Mrs Tilley mit ihrer Tochter und die Crawleys mit ihrer Tochter werden uns auf Kirkwood besuchen kommen. Sobald wir zu Hause sind, werden wir alle Hände voll zu tun haben, alles für unsere Hausgäste vorzubereiten. Caswell und seine Freunde Mr Bronson und Lord Hartley kommen vielleicht sogar schon früher. Über kurz oder lang wird unser Heim aus allen Nähten platzen.«
»Aber …«, begann er einzuwenden.
Entschlossen fiel sie ihm ins Wort.
»Es gibt nichts, das wir im Moment wegen der Briefe unternehmen können, und ich weiß auch, dass es nicht leicht ist, aber wenn wir mit betrübten Gesichtern herumlaufen oder plötzlich unsere Pläne ändern, werden alle wissen, dass etwas nicht in Ordnung ist.« Sie holte tief
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