Der süße Hauch von Gefahr
machen müssen, sie vor möglichen Gefahren warnen und besser auf sie achten müssen. Mutter hätte das getan und Mutter hätte einen Weg gefunden, Ormsby in die Schranken zu weisen. Entschlossenheit durchflutete sie. Und das werde ich auch, schwor sie sich. Das werde ich.
Juliana schob energisch das Kinn vor, und sie sagte laut:
»Ich werde einen Weg finden, uns sicher aus der Klemme zu holen – mach dir keine Sorgen. Thalia wird ihren Earl heiraten, und wir werden Ormsby mit seinen eigenen Waffen schlagen.«
Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen erwiderte Mr Kirkwood leise:
»Du klingst genau wie deine Mutter. Sie war sich immer so sicher, dass sie alle Schwierigkeiten überwinden konnte, die sich vor ihr auftaten.«
Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter und hauchte einen weiteren Kuss auf seine Stirn.
»Nun gut«, erklärte sie, »dann werden wir einfach in Mutters Fußstapfen treten, ja? Sie hätte sich von Ormsby nicht unterkriegen lassen, und wir werden das auch nicht.«
Erschöpfter, als sie vorher bemerkt hatte, stieg Juliana die Stufen hoch. Sie scheute vor der Unterhaltung mit Thalia zurück. Nicht weil Thalia ihr Vorwürfe machen oder ihr die Schuld für den Misserfolg des heutigen Abends geben würde, sondern weil dieses unglaublich liebreizende Gesicht sich verziehen würde, die seelenvollen blauen Augen sich mit Tränen füllen und Thalia schließlich von Schuldgefühlen geplagt zusammenbrechen und schluchzen würde. Das war für Juliana schwer zu ertragen. Niemand machte sich mehr Vorwürfe als Thalia sich selbst, dass sie sie in diese missliche Lage gebracht hatte. Niemand litt mehr darunter. Das Kind reibt sich völlig auf, und damit muss Schluss sein, entschied Juliana, als sie vor der Tür zum Zimmer ihrer Schwester stehen blieb.
Es war nicht zu leugnen, dass Thalia einen Fehler gemacht hatte, und Juliana versuchte auch gar nicht, so zu tun, als sei es anders. Während es also in der Tat Thalias Fehler war, hatte Juliana wiederholt versucht, Thalia zu der Einsicht zu bewegen, dass sie nicht völlig allein dafür verantwortlich war. Der Hauptteil der Schuld lag bei Ormsby. Selbst wenn er von Beginn an vorgehabt hätte, sie zu heiraten, war Juliana der Ansicht, hätte er die Sache nie so angehen sollen, wie er es dann getan hatte. Ihre Augen wurden schmal. Der hinterhältige Schuft wusste, dass ihr Vater Thalia nie eine Verbindung hätte eingehen lassen, bevor sie ihre erste Saison erlebt hatte; daher hatte Ormsby sich daran gemacht, ihnen auf hinterhältigste Weise den Boden unter den Füßen wegzuziehen.
Verärgerung brannte in ihrer Brust, als sie sich an Sonntagabend und Ormsbys grässlichen Besuch erinnerte. Als er den ersten von Thalias Briefen vor ihrem Vater auf den Tisch gelegt und alles gestanden hatte, war er so selbstgefällig gewesen, so zuversichtlich, dass er den Raum als Thalias zukünftiger Ehemann verlassen würde. Er war davon überzeugt gewesen, dass seine Drohung, die Briefe öffentlich zu machen, ihm die sofortige Zustimmung zu seinem Antrag einbringen würde. Und dem wäre auch so gewesen, wenn die Geschichte mit Caswell nicht bereits so weit gediehen gewesen wäre. Wenn Thalia sich nicht rettungslos in den Earl verliebt hätte und wenn ihr Vater nicht bereits seine Einwilligung zu der Verbindung gegeben hätte, dann hätte Mr Kirkwood höchstwahrscheinlich im Angesicht von Thalias Briefen Ormsbys Verlangen stattgegeben und ihm Thalias Hand zugesagt.
Juliana lächelte entschlossen. Die Dinge waren nicht so gelaufen, wie Ormsby es geplant hatte. Ihr Vater war entsetzt gewesen, aber er hatte dem Marquis kühl erklärt, sein Verhalten sei zu verurteilen, und dass er nie seine Zustimmung zu der Verbindung geben würde. Nach Ormsbys scharfer Entgegnung, er werde Thalia heiraten, egal ob mit fairen oder unfairen Mitteln, war er aus dem Haus gestürmt. Daran angeschlossen hatte sich ein tränenreiches Gespräch zwischen einer erschütterten Thalia, Juliana und Mr Kirkwood. Im Moment war das Verhältnis zwischen ihm und seiner jüngeren Tochter gespannt und so unangenehm, wie es in jener Nacht gewesen war. Er war verletzt und enttäuscht und Thalia von Schuldgefühlen und Reue geplagt, und Juliana konnte nur daneben stehen und nichts tun.
Wir stecken hier in einer ganz schrecklichen Klemme, gestand sich Juliana ein, als sie die Tür zu Thalias Schlafzimmer öffnete.
Ihre Schwester sprang aus dem Stuhl auf, auf dem sie bei Julianas Eintreten gesessen
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