Der süße Hauch von Gefahr
Luft.
»Caswell wird einfach seine Ungeduld zügeln müssen, der Welt mitzuteilen, dass Thalia ihn heiraten wird. Und wenn er zur Eile drängt, müssen wir uns eben eine gute Ausrede einfallen lassen.« In ihre Augen trat ein unnachgiebiger Ausdruck.
»Ich bin überzeugt, dass mir in nicht allzu ferner Zukunft etwas einfällt, wie ich diese leichtfertig geschriebenen Briefe Ormsby abjagen kann.« Damit beugte sie sich über ihn und küsste ihn auf die Stirn.
»Mach dir keine Sorgen, Vater, ich werde mich darum kümmern.«
»Danke«, erwiderte er leise. Brummig fügte er hinzu:
»Ich weiß, dass ich dir das hier nicht aufbürden sollte, dass ich, wenn ich ein Mann wäre, der etwas auf sich hält, Ormsby fordern sollte.«
»Wag das ja nicht!«, rief sie und sah schon im Geiste ihren Vater in seinem Blut tot auf dem Duellierfeld liegen.
Er lächelte müde.
»Keine Sorge, das tue ich nicht. Ich kenne Ormsbys Ruf und weiß, dass das den sicheren Tod für mich bedeuten würde.« Mit harter und entschlossener Miene fügte er eindringlich hinzu:
»Du weißt das, nicht wahr? Dass ich alles in meiner Macht Stehende täte, um dich zu beschützen?«
Sie lächelte zittrig.
»Ja, das tue ich. Aber ich denke nicht, dass es uns in irgendeiner Weise hilft, wenn du dich von Ormsby abschlachten lässt.« Erleichtert, dass er nicht ernsthaft mit dem Gedanken spielte, Ormsby zu fordern, bemerkte sie mit ruhigerer Stimme:
»Überlass es nur mir. Ich schaffe das schon.«
Unter halb gesenkten Lidern musterte sie ihn und stellte fest, dass die Reise nach London und die Sorge um Thalias Zukunft seine angeschlagene Gesundheit weiter strapaziert hatten und neue Sorgenfalten in seine hageren Züge gegraben hatten. Als eher schüchterner, zurückgezogen lebender Mann, der an das ruhige und seinem gewohnten Rhythmus folgende Leben auf dem Lande gewöhnt war, fühlte er sich hier in dem Lärm und der Geschäftigkeit der Hauptstadt fehl am Platze. Seine ganze Welt drehte sich um seine zwei Töchter und seinen Landsitz Kirkwood, und Juliana wusste, dass er stark unter seiner Unfähigkeit litt, die Bedrohung von Thalias Glück abzuwenden.
Als seine Frau und ihre Mutter noch am Leben gewesen war, hatte sie ihren ahnungslosen Gatten umsorgt und vor Unannehmlichkeiten beschützt und ihre beiden Töchter verhätschelt. Wir waren eine glückliche Familie, dachte Juliana wehmütig. Es war Mrs Kirkwood gewesen, die den Haushalt mit ihrer ansteckenden Fröhlichkeit geleitet und die wichtigen Entscheidungen getroffen hatte. Zufrieden, alles den fähigen Händen seiner Frau zu überlassen, hatte Mr Kirkwood sich in seine Bibliothek zurückgezogen und mit seiner Korrespondenz beschäftigt oder war über den Besitz geritten, wobei er die Verbesserungen, die seine nimmermüde Frau bewirkt hatte, bewunderte und sie zu neuen ermutigte.
Zum Entsetzen aller war es ausgerechnet die lebhafte und eher robuste Mrs Kirkwood gewesen, die an einer Lungeninfektion gestorben war, die in der Gegend umging, als Juliana achtzehn war und Thalia gerade mal acht Jahre. Ihr Tod traf alle tief, aber besonders Mr Kirkwood, der in den Monaten nach ihrem Dahinscheiden wie benommen durchs Haus und über seine Ländereien wanderte. Fast war es, als sei es ihm nicht möglich, die Tragödie, die ihn getroffen hatte, zu begreifen.
Er hatte sich nie, das wusste Juliana, von dem Verlust seiner Frau erholt. Keiner von ihnen hatte das, erkannte sie, und es versetzte ihr einen Stich. Ihre Mutter fehlte ihr unsäglich, und bis zum heutigen Tag rechnete sie insgeheim noch immer damit, dass die Tür aufgehen und ihre Mutter auf der Türschwelle stehen würde, mit geröteten Wangen und triumphierend lächelnd wegen eines Erfolgs im Garten, in der Küche oder in einer Auseinandersetzung mit dem brummigen Gutsinspektor auf Kirkwood. Jetzt mehr noch als sonst wünschte sich Juliana die ruhige Hand ihrer Mutter an den Zügeln ihrer aller Leben. Mutter hätte genau gewusst, wie man mit Ormsby umgehen musste, überlegte sie. Mutter hätte gar nicht erst zugelassen, dass es überhaupt so weit kam. Mutter hätte seine Drohungen nicht geduldet und ihn mit einem paar Ohrfeigen seiner Wege geschickt. Schuldgefühle überwältigen sie schier. Ihre Mutter hätte sofort gewusst, was Ormsby im Schilde führte und es ihm untersagt, Nachbar oder nicht, Marquis oder nicht, weiter Thalia nachzusteigen. Es ist meine Schuld, gestand sich Juliana schmerzlich ein. Ich hätte Thalia besser mit allem vertraut
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