Der süße Hauch von Gefahr
abweisende Miene und sagte eindringlich:
»Mein Liebster, er wird nicht ewig leben, und den Pflichtteil kann er dir nur, solange er lebt, vorenthalten. Du bist sein rechtmäßiger Erbe, Vincent. Eines Tages wird der Titel und alles, was dazu gehört, dein sein.«
Aber Vincent blieb fest.
»Nein. Es ist schlimm genug, dass wir im Geheimen geheiratet haben und uns seitdem nur heimlich treffen, als hätten wir etwas Unrechtes getan. So kann es nicht weitergehen. Wie du selbst gesagt hast – du könntest bereits schwanger sein. Wir müssen die Welt wissen lassen, dass wir Mann und Frau sind – selbst wenn unsere Verbindung meinen Vater erzürnt. Das hier ist etwas, das ich einfach tun muss, wenn ich mich je einen Mann nennen können will.« Er lächelte sie schief an.
»Was für ein Mann würde sich nicht jeder Gefahr stellen für die Frau, die er liebt?«
Erst nachdem er fort war, merkte Jane, dass er seine Reitgerte liegen gelassen hatte. Er hatte nur einen Vorsprung von ein paar Minuten, daher müsste sie ihn schnell einholen können, wenn sie die Abkürzung nahm. Gesagt – getan. Sie lenkte ihr Pferd durchs Unterholz, bis sie nur noch wenige Schritte von der Straße entfernt war. Die Dämmerung wich der Dunkelheit. Vor sich hörte sie plötzlich laute Stimmen und blieb stehen, hielt ihr Pferd am Zaumzeug fest und spähte zu der Stelle, von der der Lärm kam. Zwar war sie durch die Bäume verdeckt, aber sie konnte dennoch erkennen, dass vor ihr auf der Straße Vincent und sein Bruder Bertram miteinander stritten. Sie hatte den Anfang des Streits verpasst, aber es war klar, dass Vincent Bertram gesagt hatte, dass er sie heiraten wolle.
»Du bist verrückt, wenn du denkst, Vater würde dir erlauben, unserem Namen Schande zu bereiten, indem du den kleinen Niemand heiratest«, verkündete Bertram boshaft.
»Sie ist kein Niemand«, entgegnete Vincent kühl.
»Und Vater kann mich daran nicht hindern. Ich will sie zur Frau nehmen.«
»Bei Jupiter! Ich wusste schon immer, dass du ein Narr bist. Deine Braut kannst du dir in den höchsten Kreisen suchen, aber du willst sie? Wenn du sie so dringend haben willst, nimm sie als Mätresse, aber heirate sie nicht.«
»Darf ich dich daran erinnern«, sagte Vincent eisig, »dass du von der Frau sprichst, die ich liebe?«
»Ach, erspar mir solche Gefühlsduselei«, fauchte Bertram.
»Um Himmels willen, bedenke, was du im Begriff stehst zu tun! Sie hat nichts zu bieten – kein Vermögen, keine einflussreiche Familie mit Titel …« Bertram lachte.
»Wenn sie eine Schönheit wäre, könnte Vater dazu gebracht werden, über ihr fehlendes Vermögen und ihre mangelhafte Herkunft hinwegzusehen, aber sie ist zwar ein hübsches kleines Ding, wird aber nie eine Schönheitskönigin in London sein.« Eingebildet brüstete er sich:
»Wenn ich einmal heirate, dann will ich keine Landmaus – ob sie nun Geld hat oder eine einflussreiche Familie, ist egal – Hauptsache, sie ist eine in ganz England gefeierte Schönheit.«
»Dann meinen Glückwunsch«, erwiderte Vincent gedehnt, und von Bertrams abfälligen Bemerkungen über Jane verleitet, fügte er hinzu:
»Deine mag zwar in London den Titel einer Unvergleichlichen tragen, meine aber den der Marchioness of Ormsby.«
Bertram fluchte lästerlich und warf sich von seinem Pferd auf seinen Bruder, sodass sie beide zu Boden stürzten. Wendig wie eine Katze drehte Bertram Vincents Gesicht in den Dreck und setzte sich auf ihn, fasste Vincents Kopf mit beiden Händen. Entsetzt von dem plötzlichen hinterhältigen Angriff hatte Jane wie gelähmt auf die Szene gestarrt. Aber sogleich verdrängte Wut die Lähmung, sie fasste ihr Pferd fester am Zügel und wollte durch den Wald zur Straße reiten. Gerade, als sie sich in Bewegung gesetzt hatte, stieß Vincent einen seltsamen Schrei aus, auf den eine plötzliche unheilvolle Stille folgte. Unwillkürlich verharrte sie, verfolgte aus weniger als sechs Schritt Entfernung schreckensstarr, wie Bertram aufstand und über dem reglosen Vincent stehen blieb. Er starrte einen Moment auf seinen Bruder, dann klopfte er sich den Staub aus den Kleidern und blickte noch einmal verstohlen die Straße hinauf und herunter, ohne dem Waldrand Beachtung zu schenken, von dem aus Jane wie versteinert zuschaute, wie er sich in den Sattel seines Pferdes schwang und davonritt.
Mit belegter Stimme erzählte Asher zu Ende:
»Sobald Bertram fort war, ging sie zu Vincent, aber er war tot. Bertram hatte ihm das Genick
Weitere Kostenlose Bücher