Der süße Hauch von Gefahr
lassen. Das hat natürlich nur dazu geführt, dass er in dem Glauben bestärkt wurde, dass er tun und lassen konnte, was er wollte, und stets alles so zu geschehen hatte, wie er es sich ausgedacht hatte. Bertram war kaum einen Deut besser. Und der arme Vincent wurde von beiden schikaniert.«
Als Juliana immer noch nicht überzeugt wirkte, bemühte sich Asher, seine Eltern zu verteidigen.
»Vergiss nicht, dass sie beide noch jung waren und völlig verängstigt angesichts dessen, was sie getan hatten. Mutter war erst achtzehn und Vincent im Juni gerade einundzwanzig geworden. Er hat Mutter zwei Wochen nach Erreichen seiner Volljährigkeit geheiratet. Sie haben alles ganz sorgfältig geplant, aber was man aus ihrem Brief herauslesen kann, ist, dass sie zwar entschlossen waren, zu heiraten, komme, was da wolle, aber andererseits entsetzliche Angst vor Vincents Vater hatten.«
»Und das war auch klug«, stellte Mrs Manley unglücklich fest.
»Ich war in der Nacht anwesend, als Vincents Vater einmal einen Lakaien beinahe totgeprügelt hat, bloß weil er mit seiner Bedienung nicht zufrieden war. Nur weil ein anderer Gentleman eingegriffen und ihn von dem armen Mann weggezerrt hat, hat der Lakai überlebt. Und es gab weitere Zwischenfälle … Er ist mit einer Peitsche auf einen seiner Stallburschen losgegangen, sodass der Junge für den Rest seines Lebens entstellt war. Vincent hatte zwar vielleicht seine Volljährigkeit erreicht, aber er stand immer noch unter dem eisernen Regiment seines Vaters.« Ihre Züge wurden hart.
»Sobald sein Vater von der Heirat erfahren hätte, hätte er zwar vielleicht gute Miene zum bösen Spiel gemacht, aber wenn er keinen Weg gefunden hätte, die Ehe annullieren zu lassen, hätte ich nicht darauf gewettet, dass Jane ihren ersten Hochzeitstag oder die Geburt ihres ersten Kindes erlebt hätte.«
»Nein, das hätte er doch gewiss nicht getan!«, widersprach Juliana.
»Nein, nicht?«, fragte Asher mit hochgezogenen Brauen. Er deutete auf Janes Brief.
»Mutter hat mit eigenen Augen gesehen, wie Bertram seinen älteren Bruder umgebracht hat. Nach dem, was Großmutter erzählt hat, wurden die Menschen, die den Beverleys in die Quere kamen, Opfer von Gewaltausbrüchen. Denkst du wirklich, der Vater wäre davor zurückgescheut, eine unschuldige Schwiegertochter beiseitezuschaffen?«
»Aber wenn die Ehe noch ein Geheimnis war, warum wurde Vincent dann umgebracht?«, wollte John wissen.
Asher schaute weg, und die Worte seiner Mutter standen vor seinem geistigen Auge, als hätten sie sich in seinen Verstand gebrannt. Sie hatte die schicksalhafte Nacht so lebhaft beschrieben, dass er beinahe das Gefühl hatte, als sei er selbst dabei gewesen. Und er erzählte es den anderen, so wie seine Mutter es aufgeschrieben hatte:
Sie trafen sich bei Anbruch der Dämmerung am alten Torhaus, nicht weit von der Zufahrt, die nach Ormsby Place führte. Vincents junges Gesicht zeigte seine Entschlossenheit, als er sagte:
»Ich weiß, du denkst, wir sollten es ihm einfach sagen, aber wie ich meinen Vater kenne, glaube ich, es ist besser, wenn ich ihn erst darauf vorbereite. Ich werde ihm heute Nacht mitteilen, dass ich dich heiraten will – aber nicht, dass wir es schon getan haben. Ich möchte ihm Zeit geben, sich an den Gedanken zu gewöhnen.«
»Oh, Vincent, warum ihm nicht einfach sofort alles gestehen? Wir sind verheiratet! Vielleicht bin ich schon schwanger. Wir können es nicht aufschieben. Du musst ihm sagen, dass wir verheiratet sind«, drängte Jane.
Verzweifelt schaute er ihr in das geliebte Gesicht.
»Du kennst ihn nicht. Er wird so furchtbar jähzornig …« Er schluckte.
»Ihm auch nur zu sagen, dass ich dich heiraten möchte, wird mir schwere Prügel eintragen.« Hilflos versuchte er zu erklären:
»Wenn ich ihm erzähle, dass wir bereits verheiratet sind, bringt er mich am Ende um – oder dich. Ich kenne ihn nur allzu gut – du hingegen nicht. Glaube mir, Liebste, so ist es am besten.«
»Du musst ihm ja nicht allein gegenübertreten«, versuchte Jane ihn umzustimmen.
»Lass mich mit dir kommen. Wir können gemeinsam vor ihn treten.« Und als Vincent bloß erblasste und heftig den Kopf schüttelte, fügte sie hinzu:
»Gut, dann sagen wir es ihm gar nicht. Meine Mutter hält zu uns. Wir schicken ihm einen Brief, in dem wir ihn von unserer Hochzeit in Kenntnis setzen. Und wenn er dir alle Unterstützung streicht, macht das nichts – meine Mutter sorgt für uns.« Sie sah seine
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