Der süße Hauch von Gefahr
gebrochen.« Er schaute auf die Seiten, die seine Großmutter während seiner Geschichte auf den Tisch gelegt hatte.
»Ich denke, sie muss halb außer sich vor Angst gewesen sein, und selbst sie gibt zu, dass sie nicht weiß, was sie damals gedacht hat. Sie hatte gerade mit ansehen müssen, wie ihr Ehemann umgebracht wurde, von seinem eigenen Bruder noch dazu. Aber eines war ihr klar: Niemand würde es ihr glauben, wenn sie Bertram des Mordes an Vincent bezichtigte, daher tat sie das Einzige, was ihr in dem Augenblick einfiel. Sie nahm Vincents Siegelring an sich und hat alles aufgeschrieben, was sie in dieser Nacht gehört und gesehen hatte.« Er lächelte schief und ahnte nicht, wie sehr er in diesem Moment seinem toten Vater ähnlich sah.
»Sie hat vermutet, dass sie schwanger war. Und wenn sie zu irgendeinem klaren Gedanken in dieser Nacht in der Lage war, dann dem, dass sie ihr ungeborenes Kind beschützen musste. Sie schreibt, dass ihr Sohn eines Tages seinen Vater rächen würde.« Ein bittersüßer Ausdruck glitt über sein Gesicht.
»Von Beginn an war sie sich sicher, dass sie einen Jungen erwartete.« Wieder ernst fuhr er fort:
»Sie hatte den Tag geplant, an dem sie mir die Wahrheit sagen wollte, damit ich meinen rechtmäßigen Platz einnehme, aber sie war entschlossen, nichts zu sagen, bis ich erwachsen war. Sie wollte auf jeden Fall verhindern, dass ihr Kind den Beverleys ausgeliefert wäre. Sie gesteht, dass sie in ständiger Angst lebte, sie würden zufällig herausfinden, wer ich in Wahrheit war, und dass mein Großvater oder mein Onkel kommen würden und mich ihr wegnehmen.« Mit kalt blickenden Augen schloss er:
»Woraufhin sie kurze Zeit später sicher die Nachricht meines unerwarteten Ablebens erreicht hätte.«
Bedrückt sagte Mrs Manley:
»Aber sie ist gestorben, bevor sie es dir sagen konnte …«
»Ja«, pflichtete ihr John unglücklich bei, »und sie hat den Beweis an einer Stelle versteckt, wo mein Vater ihn nach all den Jahren entdeckt und dazu verwendet hat, Ormsby zu erpressen.«
Mrs Manley beugte sich vor und sagte eindringlich:
»Verurteile deinen Vater nicht, John. Er war dabei, den Beweis nach London zu bringen, und du musst einfach glauben, dass er am Ende das Richtige getan hätte.«
Asher nickte und schaute seinen Bruder offen an.
»Dich trifft keine Schuld an dem, was der Oberst getan hat. Und Großmutter hat recht: Am Ende hätte er das Richtige getan – das schreibt er ja auch in seinem Brief.«
»Vielleicht … Es ist nur so … unglaublich – das alles.«
John seufzte.
»Aber wenigstens kennen wir nun die Wahrheit.«
»Allerdings noch nicht alles«, stellte Asher fest. Er schaute seine Großmutter ernst an und fragte:
»Gibt es nicht noch etwas, was du erzählen möchtest, um das Bild zu vervollständigen? Etwas, das du die ganze Zeit gewusst hast?«
Sie erwiderte seinen Blick.
»War es denn ein so schlimmes Verbrechen?«, erkundigte sie sich leise.
»Wem hat es geschadet?«
»Wovon redet ihr?«, verlangte John mit zusammengezogenen Brauen zu wissen und blickte von seinem Halbbruder zu seiner Großmutter.
»Nun, dass es nie einen Leutnant Cordell gegeben hat«, erklärte Asher unverblümt.
Julianas Augen wurden groß, und John starrte ihn verdutzt an.
Mrs Manley seufzte und schaute weg.
»Nun, genau genommen gab es da schon einen Leutnant Cordell, und alles, was du je über ihn gehört hast, stimmte … bis auf den Umstand, dass deine Mutter ihn geheiratet hat. Das haben wir uns ausgedacht.« Ihre Augen kehrten zu Asher zurück.
»Mir ist einfach nichts anderes eingefallen.« Sie senkte den Blick, und plötzlich sah man ihr ihre fünfundsiebzig Jahre an, als sie betrübt sagte:
»Ich konnte es einfach nicht glauben. Meine süße anständige Tochter – schwanger und unverheiratet und kein Ehemann weit und breit, und zu allem Überfluss hat sie sich auch noch hartnäckig geweigert, den Vater zu benennen.« Mit nachdenklicher Miene erzählte sie weiter:
»Sie war immer so ein fügsames Kind gewesen, und obwohl sie unter den jungen Herren der Gegend beliebt war, kam es mir nie in den Sinn, dass zwischen ihr und Vincent irgendetwas war – oder gar, dass sie insgeheim vorhatten zu heiraten. Ich begreife nun, dass gerade der Umstand, dass sie einander zu meiden schienen, ein eindeutiges Zeichen war, dass zwischen ihnen etwas vor sich ging.« Sie lächelte leicht und blickte Juliana an.
»Ich habe mir den Kopf zerbrochen bei dem Versuch, den Schuldigen
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