Der süße Hauch von Gefahr
Juli 1775 in einem kleinen Dorf in Surrey. Sie wurden beinahe genau neun Monate vor meiner Geburt im April getraut, was heißt, dass nicht Ormsby Ormsby ist, sondern ich es bin.«
20
E s herrschte die Stille, wie sie auf einen Donnerschlag folgt, und die drei anderen im Zimmer Versammelten schauten ihn mit offenen Mündern an. Mrs Manley erholte sich als Erste. Hin und her gerissen zwischen Schock und Genugtuung sagte sie:
»Diese elenden Heimlichtuer! Ich hätte wissen müssen, dass etwas in der Luft lag, als Jane auf einmal darum bettelte, ihre Freundin Elizabeth in Surrey besuchen zu dürfen. Vorher hatte ihr an der jungen Dame nie viel gelegen, aber in dem Sommer war nichts anderes wichtiger als der Besuch bei Elizabeth. Ich habe keine Sekunde Verdacht geschöpft, keinen Augenblick vermutet, dass da etwas zwischen ihr und Vincent war.« Sie schüttelte den Kopf und fuhr fort:
»Sie haben es gut verborgen. Ich habe sogar geglaubt, dass sie einander nicht mochten. Es gab nie den kleinsten Hinweis darauf, dass sie sich mehr als flüchtig kannten. Sogar in der Woche, nachdem sie von dem Besuch bei Elizabeth zurück war – sogar da hat sie mir mit keinem Wort etwas gesagt.«
»Aber warum?«, wollte Juliana wissen.
»Ich hätte gedacht, Sie hätten sich gefreut, dass sie den Erben eines Marquis geheiratet hatte.«
»Das hätte ich auch, aber Vincents Vater hätte die Verbindung nie geduldet. Sein Erbe verheiratet mit der Enkelin eines einfachen Baronets? Eines einfachen Baronets, dessen Titel mit dem Hinscheiden des letzten männlichen Vertreters erloschen war? Außerdem hätte es ihn entsetzt, dass Vincent eine junge Frau ohne nennenswertes Vermögen und ohne größtmögliche Schönheit ehelichte. Das hätte er nie zugelassen. Oh, nein, ihm schwebte etwas anderes vor. Ich erinnere mich, dass es einiges Gerede gab, dass er zu der Zeit eine Verbindung mit der Tochter des Duke of Hazeltine angestrebt hat. Allem Anschein nach war Lady Anne wunderschön und verfügte über ein ansehnliches Vermögen, aber sie war zudem dafür bekannt, hochnäsig und eingebildet zu sein, sowie eine scharfe Zunge zu haben.« Sie wirkte nachdenklich.
»Das war es vermutlich, was sie dazu gebracht hat, etwas zu unternehmen – sie hatten Angst, der Marquis könnte ohne Vincents Einwilligung handeln und vollendete Tatsachen schaffen, sodass er am Ende mit einer Frau verheiratet gewesen wäre, die er nicht liebte.«
Asher nickte und hielt die Blätter hoch, auf denen Jane die gesamte Geschichte festgehalten hatte.
»Das hat Mutter auch geschrieben. Sie hatten das Gefühl, als bliebe ihnen nichts anderes übrig, als heimlich zu heiraten.« Er schaute seine Großmutter mitfühlend an.
»Es tat ihr furchtbar leid, dass sie es dir nicht sagen konnte, aber sie hatten zu viel Angst, was geschehen würde, wenn irgendjemand davon erfuhr, dass sie sich liebten und heiraten wollten. Am Ende hätte Vincents Vater davon Wind bekommen können und hätte es verhindert.«
»Und das hätte er auch!«, rief Mrs Manley erbost.
»Er war ein grässlicher, grässlicher, grässlicher alter Mann.«
»Ich verstehe das nicht«, beschwerte sich John.
»Nachdem sie verheiratet waren, warum haben sie es da nicht gesagt?«
»Weil«, erklärte Mrs Manley, »Vincent zwar vielleicht mutig genug war, heimlich meine Tochter zu heiraten, aber er entsetzliche Angst davor hatte, seinem Vater zu gestehen, was er getan hatte.« Sie blickte Asher an.
»Habe ich recht?«
Asher seufzte und reichte ihr über den Tisch hinweg mehrere mit Janes Handschrift bedeckte Seiten.
»Ja. Sie haben beinahe drei Wochen vor dem Mord an Vincent geheiratet. Da sie nicht offen zusammenleben konnten, haben sie sich heimlich mehrere Male getroffen.« Er lächelte halb.
»Offenbar bin ich das Ergebnis eines solchen Treffens.«
»Aber wie ist sie an den Ring gekommen? Hat sie den Mord mit angesehen? Warum hat sie nicht schon da gleich etwas gesagt? Warum hat sie geschwiegen?«, wollte Juliana wissen und setzte sich neben Ashers und Johns Großmutter.
»Weil sie Angst hatte«, antwortete Mrs Manley und hob den Blick von den Seiten, die sie in den Händen hielt. Als Juliana sie verständnislos ansah, seufzte sie.
»Man muss den zweiten Marquis gekannt haben, um das zu begreifen. Er war ein großer, gewalttätiger Mann mit legendärem Jähzorn. Die meisten Leute haben versucht, ihm nicht in die Quere zu kommen, sie fanden es leichter … und auch sicherer, ihm einfach seinen Willen zu
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