Der süße Hauch von Gefahr
vergangenen Frühjahrs in Verbindung bringen? Dennoch gefiel ihm die Sache gar nicht. Er hatte selbst ein gutes Gehör für Stimmen und vergaß keine, die er schon einmal gehört hatte.
Er runzelte die Stirn. Aber wie wahrscheinlich war es, dass Isabel Sherbrook irgendetwas an ihm wiedererkennen würde? Letztes Jahr hatte er nicht mehr als ein paar Sätze zu ihr gesagt. Im schlimmsten Fall konnte sie glauben, dass ihr seine Stimme bekannt vorkam, aber er hielt es für höchst unwahrscheinlich, dass sie zwischen ihm und dem Mann eine Beziehung herstellte, der sie vor mehr als einem Jahr entführt und gefangen gehalten hatte.
Mit mehr Zuversicht als zuvor trank er seinen Brandy aus, stand auf und ging zum Sideboard, wo er das leere Glas abstellte.
Er verschwendete mehrere weitere Minuten darauf, im Zimmer auf und ab zu laufen, ehe er entschied, dass an Schlaf nicht zu denken war. Er erwog und verwarf mehrere Möglichkeiten, die Zeit totzuschlagen, ehe er schließlich die Idee hatte, einen nächtlichen Ritt nach Ormsby Place zu unternehmen und die Umgebung auszukundschaften. Es wäre sicher nicht verkehrt – es war immerhin ein paar Jährchen her, seit er das letzte Mal dort gewesen war, und es wäre nicht verkehrt, noch einmal nachzusehen, dass es keine neuen Hindernisse für das gab, was, wie er hoffte, ein leichter Diebstahl sein würde. Eigentlich wäre es sogar sehr klug, das Haus und die umliegenden Gärten neuerlich zu betrachten, bevor er genauere Pläne machte.
Er hatte sich entschieden und kehrte zu den Ställen zurück, winkte ab, als der Stallbursche ihm behilflich sein wollte, und sattelte sich selbst einen langbeinigen braunen Wallach. Augenblicke später war er in leichtem Galopp in der Dunkelheit verschwunden.
Der Ritt nach Ormsby Place verlief ohne Zwischenfall, und kurz darauf führte er sein Pferd durch denselben Wald, durch den er erst letzte Nacht gekommen war. Aus der Deckung des Waldes beobachtete er die Ställe, alles war dunkel und still. Er ging weiter zum Haupthaus.
Sein Pferd band er an einen dünnen Baum, in sicherer Entfernung von irgendwelchen Bewohnern von Ormsby Place und vor zufälliger Entdeckung geschützt. Lautlos stahl Asher sich zum Herrenhaus, in dem Seine Lordschaft wohnte. Er näherte sich dem hohen dreistöckigen Gebäude aus Stein von Westen her und begab sich zur gegenüberliegenden Seite eines der beiden Flügel, die von dem Hauptteil abgingen.
Es war ein glücklicher Umstand, dachte er, während er leise in weitem Bogen um das Gebäude schlich, dass die Gärten um das Haus weitläufig waren und von Wegen durchzogen, die in alle möglichen Richtungen zu abgelegenen Stellen verliefen. Er schätzte, dass eine ganze Armee dort mühelos Deckung finden konnte, in den Büschen, Bäumchen und mit Wein überrankten Ecken und Winkeln, die es dort überall gab. Nachdem er den Westflügel umrundet hatte, betrat er eine weiß gestrichene Laube aus Holzlattenwerk, von der aus man auf einen künstlich angelegten Teich blickte, und betrachtete nachdenklich das beeindruckende Gebäude, das auf der anderen Seite des Wassers lag. Eine große Rasenfläche erstreckte sich zwischen ihm und dem Haus, nur hie und da unterbrochen von ein paar schön gewachsenen Eichen und anderen mit Absicht dort angepflanzten Bäumen und Büschen. Von hier hatte er wirklich eine ausgezeichnete Sicht. Einzig für die kurze Strecke, wenn er den kleinen gepflasterten Hof vor dem Arbeitszimmer überquerte, wäre er ohne Sichtschutz. Aber da er nicht vorhatte zu trödeln, glaubte er nicht, dass ihm das Probleme bereiten würde.
Der Mond spendete nur schwaches Licht, sodass von dem Haus selbst aus dieser Entfernung nicht mehr als ein dunkler Schatten zu sehen war. Die Fenster waren ebenfalls dunkel, was hieß, dass der Flügel in dieser Nacht nicht benutzt wurde. Wenn er sich recht entsann, befanden sich die Räume des Marquis’ im zweiten Stock im Westflügel. Der Mittelbau enthielt die meisten Wohnräume, sodass sich Ormsby zu dieser Stunde wahrscheinlich in diesem Teil des Hauses aufhielt. Im Ostflügel lagen im Erdgeschoss der Ballsaal, das Musikzimmer, ein kleiner Salon und die Bibliothek sowie das Arbeitszimmer. Im Stockwerk darüber waren mehr Schlafzimmer. Er nahm an, im dritten Stock gab es dann die Kinderzimmer, den Dachboden und die Dienstbotenquartiere. So weit hatte er das Gebäude allerdings nie erkundet. Sein Blick glitt aufmerksam über das dunkle Gebäude, suchte nach möglichen
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