Der sueße Kuss der Luege
erleichtert, dann ist sie wenigstens nicht in die Hände von perversen Kinderschändern gefallen. Aber dann fällt mir der grauenhafte Fall des kleinen Jakob Metzlers ein, von dessen Eltern Lösegeld erpresst wurde, obwohl Jakob längst tot war. Vor meinen Augen zerbröselt alles zu grauen Sternchen und das Zimmer fängt an, sich zu drehen, dreht sich schneller und immer schneller.
Die Rolfs sieht mich unschlüssig an, dann legt sie den Arm um meine Schultern und klopft ein paar Mal unbeholfen darauf. Ich denke an unsere Eltern, Idas Großeltern, und bin so froh, dass sie auf Fuerteventura leben. Vielleicht schaffen wir es, dass sie erst von alldem erfahren, wenn Ida wieder zu Hause ist.
»Wir müssen in die Wohnung von Christian. Ich will da jetzt sofort hin! Und Sebastian, mein Bruder, soll auch kommen.«
Simone Rolfs nickt und sagt, sie würde sich um alles kümmern, ich solle hier warten.
Und dann geht es tatsächlich ganz schnell. In einer Kolonne von mehreren Wagen rasen wir zu Christians Wohnung. Die Beamten haben Blaulicht und Sirenen eingeschaltet. Ich nehme nichts von der Straße wahr, weil das Einzige, woran ich denken kann, zwei kleine Worte sind, die wie digitale Endlosbänder in immer grelleren Farben durch mein Hirn jagen und blinkend aufleuchten: Lebt Ida? Ida lebt!
Wie in Trance steige ich aus, führe die Beamten in die Eingangshalle, wo der alte Schubert überrascht aufschaut und wissen will, was hier los. Die Polizisten befragen ihn, der sofort Haltung angenommen hat, und schwirren dann durch die Eingangshalle wie Ameisen, die man mit Wasser aufgeschreckt hat.
Schubert kommt langsam in die Gänge und kramt ein großes Paket hervor, das für mich abgegeben worden ist. Aber nur fast so groß, als dass man hoffen könnte, Ida wäre darin. Sofort erstarren alle Ameisen, sammeln sich um das Päckchen, halten dabei aber Abstand und lauschen schweigend, als könnte man bei entsprechender Stille das Ticken einer Bombe hören.
Kriminaldirektorin Rolfs bricht die Stille und fordert über ihr Handy den Mantrailer und die Spezialisten der Kriminaltechnik an. Bis die Techniker nicht vor Ort sind, darf niemand das Paket anrühren, geschweige denn aufmachen.
Dann nimmt sie sich Schubert vor und befragt ihn nach dem Überbringer des Pakets. Schubert fängt an zu schwitzen und der Geruch nach Alkohol verbreitet sich im Raum. »Des war en ganz normaler DHL-Fahrer.«
Simone Rolfs stöhnt hörbar, dann fragt sie nach. »Was genau verstehen Sie unter einem ganz normalen DHL-Fahrer?«
Schubert wischt sich den Schweiß von der Stirn und erklärt dann in seinem breiten Hessisch, dass der Mann eine rot-gelbe Jacke mit DHL-Aufschrift und ein dazu passendes Käppi trug. Das Auto kann er von seinem Empfangstisch nicht sehen. Der Bote hatte auch ein entsprechendes Gerät, so ein schwarzes Ding mit Tasten, auf dem er mit seiner Unterschrift den Empfang quittieren musste.
Rolfs will wissen, ob ihm der Mann bekannt vorkam oder er ihn schon mal gesehen hat. Schubert schüttelt den Kopf. »Bei dem DHL wechseln die ihre Leut schneller als wie die Bayern ihren Trainer.«
Niemand lacht über diesen Witz.
Und wie um es wiedergutzumachen, fügt er noch hinzu, dass ihm letzte Woche ein Typ aufgefallen sei, der ums Haus geschlichen sei. Den hätten auch seine Kollegen bemerkt, aber sie hätten ihn für einen der Frankfurter Obdachlosen gehalten, die manchmal versuchen, in die Keller von Häusern zu kommen, weil es dort warme, trockene Schlafplätze gibt.
Ob er den beschreiben könnte?
»Na ja, jetzt wo isch so drüwwer nachdenk, eischentlisch hat der gar ned wie en Obdachlose gewirggt. Also der hat zwar so gammelische Klamodde an, aber sonst, na ja, sah der viel besse aus.«
»Nämlich wie? Geht das ein bisschen genauer?«
Kriminaldirektorin Rolfs wirkt deutlich ungehalten.
»Kann ich nicht das Paket endlich aufmachen?«, mische ich mich ein und wundere mich selbst über diesen Mut, aber das ist alles nur für Ida! Ich bin ganz sicher, dieses Gerede mit Schubert bringt uns keinen Schritt weiter, sondern der Inhalt des Pakets! Denn wer sonst als Idas Entführer sollte hier ein Paket für mich abgeben?
»Wir warten auf die Kollegen des kriminaltechnischen Diensts.« Rolfs bleibt unerbittlich.
Die anderen Beamten sind mittlerweile mit der Untersuchung der Empfangshalle fertig und bereit, in die Wohnung zu fahren. Ich stelle die Alarmanlage am Aufzug aus.
»Der hat so auffällische schwarze Haarn gehabt, so wilde«, ruft
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