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Der sueße Kuss der Luege

Der sueße Kuss der Luege

Titel: Der sueße Kuss der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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und weil es noch viele offene Fragen gibt.
    Ich verstehe das nicht, bin völlig durcheinander, widerspreche Herrn Hinze, versichere ihm, dass diese Meldung doch längst vorliegen müsste. Hinze zuckt mit den Schultern und schlägt vor, das gleich im Revier zu klären. Als wir dann im Revier angekommen sind, wollen sie ganz genau wissen, warum ich glaube, es läge bereits eine Vermisstenmeldung vor.
    Ich erzähle ihnen von Diego, obwohl ich nicht sicher bin, wie undercover so ein Undercovereinsatz bleiben muss, vielleicht wissen nicht einmal die Kollegen davon. Doch dann hätte Diego mir sagen müssen, dass er nichts für mich tun kann und ich sofort den Notruf anrufen soll. Hinze schaut mich an, als wäre ich nicht ganz dicht, dann steht er auf und holt seine Chefin, eine kleine, zierliche Frau in schwarzen Jeans und
beigefarbenem Leinenjackett, deren viel zu rote Haare wie ein Stoppschild leuchten. Sie stellt sich als Kriminaldirektorin Simone Rolfs vor und ich muss noch einmal von vorn anfangen. Wen ich wann angeblich angerufen habe. Und dann will sie wissen, wie Diego mit Nachnamen heißt und wo er angeblich arbeitet.
    Ich zeige ihnen mein Handy, da können sie ja sehen, wann ich ihn angerufen habe. Alles kommt mir so unwirklich vor, als würde ich ihre Fragen nur durch dicke Schlieren aus Nebel wahrnehmen, und ab und zu klingt die Stimme von Kriminalhauptkommissar Hinze durch wie ein Nebelhorn, warnend, misstönend, und in meinem Bauch macht sich neben der Sorge um Ida noch eine nicht weniger entsetzliche Gewissheit breit: Diego hat mich angelogen. Mehr als angelogen, er hat mich voll verarscht.
    Die Beamten überprüfen die Nummer, die ich angerufen habe. Ein Prepaidhandy, das allein sagt noch nichts. Dann wollen sie Diegos Adresse wissen und mein Gesicht wird heiß vor lauter Scham. Ich komme mir unsäglich dämlich vor.
    Ich kenne seine Adresse nicht. Ich habe ihm geglaubt, als er behauptet hat, dass er vorübergehend bei Patrick wohnt. Aber Patricks Adresse weiß ich auch nicht, denn Diego ist immer zu mir gekommen, weil wir bei mir ungestört sein konnten.
    Die Polizisten lassen Diegos Namen mehrmals durch den Polizeicomputer laufen, aber ein Diego Friese arbeitet nicht bei der Polizei in Frankfurt. Genauso wenig wohnt jemand mit diesem Namen in Frankfurt, dafür drei andere Frieses, ein Gunnar, ein Dieter und ein Haiko, die von zwei weiteren Polizisten sofort ausfindig gemacht werden. Einer davon muss es sein, davon bin ich überzeugt, denn Diego ist schließlich nur ein Spitzname, das hat er mir selbst gesagt.
    Wenig später kommt ein Beamter mit dem Resultat zurück. Einer der Frieses ist Schulleiter und gibt gerade Lateinunterricht, der zweite ist ein fast hundertjähriger Greis, während Haiko Friese HNO-Arzt im Klinikum ist, der wegen einer OP nicht ans Telefon geholt werden kann.
    »Aber das ist unmöglich«, widerspreche ich, irgendetwas stinkt hier gewaltig, ich komme mir vor wie in einem schlechten Verschwörungsfilm. Die belügen mich doch! Vielleicht ist Diegos Auftrag viel geheimer, als ich dachte, vielleicht wissen nur die ganz hohen Tiere davon.
    »Mein Bruder war dabei, als wir in die Radarfalle gefahren sind. Da stand Diego in Uniform mit seinem uniformierten Kollegen Patrick und einem Polizeiauto. Sie haben unsere Daten überprüft und alles. Rufen wir meinen Bruder an!«
    Kriminalhauptkommissar Hinze zieht die Augenbrauen hoch, fragt, ob ich etwas trinken möchte. Ein Beamter bringt mir dann ein Glas Wasser und ein Snickers und dann fragen sie mich wieder und wieder nach Diego und dann auch nach seinem angeblichen Kollegen Patrick. Und wieder schäme ich mich in Grund und Boden, weil mir jetzt erst klar wird, dass ich weder weiß, wie Diego in Wirklichkeit mit Vornamen heißt, noch Patricks Nachnamen kenne. Darüber haben wir einfach nicht gesprochen. Sie glauben mir nicht, das spüre ich ganz deutlich. Schließlich schlägt Kriminaldirektorin Simone Rolfs vor, dass ich alles haarklein aufschreiben soll, von dem Augenblick an, als ich Diego zum ersten Mal gesehen habe. Alles, was mir einfällt, jedes noch so winzige Detail, und auch meine Gefühle dazu. Und obwohl mir vollkommen schleierhaft ist, wie das bei der Suche nach Ida helfen soll, mache ich mich sofort an die Arbeit.
    Jetzt bin ich fertig mit meiner grauenhaften Geschichte, bin wieder in der Gegenwart angekommen, lege den Stift hin und starre auf die vielen beschriebenen Seiten. Bin in einer Gegenwart, in der ich nicht sein

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