Der sueße Kuss der Luege
die Bambusprinzessin auch vergessen hatte, viele Jahre. Alles war ganz einfach. Sie war gar nicht Ida-Kim.
Ida-Kim war verschwunden.
Sie war die Bambusprinzessin. Und wie jedermann wusste, kann niemand der Bambusprinzessin etwas tun, denn die Bambusprinzessin ist eine Mondnymphe aus Licht und die kann nur von den Strahlen des Mondes geholt werden und kein noch so wütender Oni kann sie zerstören.
Die Bambusprinzessin ist viel mächtiger.
Lu am Donnerstag, dem 7. Juni 2012, Fronleichnam, 15:00 Uhr
Entschlossen klappe ich die Laschen des Pakets zur Seite und schaue hinein. Nein!
Reflexartig schließen sich meine Augen. Ich will das nicht sehen. Atme tief durch und zwinge mich dann doch, genauer hinzusehen, es geht hier nicht um dich, es geht um Ida!
Schwarze glänzende Kinderhaare, die auf etwas leuchtend Gelbem liegen, was es noch schlimmer macht.
Es ist einer von Idas Zöpfen. Die Spange leuchtet auf dem schwarzen Haar wie ein unnatürlicher rosa Blutfleck. Ich starre auf die toten Haare und versuche zu erfassen, was das bedeutet. Dieser Mann, der Mann, von dem ich dachte, dass er mich lieben würde, scheint zu allem bereit zu sein. Jemand, der kleinen Mädchen die Haare abschneidet, schreckt sicher vor nichts zurück.
Unter den Haaren schimmert gelbes Plastik.
Ich darf die Haare in die Hand nehmen und das Paket weiter ausräumen. Es sind zwei große gelbe Plastikkoffer. Hinze erlaubt mir, sie zu öffnen. Der erste Koffer ist leer.
»Was sind das für merkwürdige Koffer?«, frage ich.
»Peli-Koffer, sie sind extrem strapazierfähig und wasserdicht«, erklärt er mir.
Ich klappe den zweiten auf, in dem sich ein grauer Zettel befindet. Recyclingpapier, denke ich sofort und frage mich, warum der Kidnapper solches Papier benutzt. Will er die Umwelt schonen? Auf das Papier sind Buchstaben geklebt, die man aus Zeitungen herausgeschnitten hat.
Kriminaldirektorin Rolfs zieht die Luft zwischen den Zähnen durch. »Verdammt, ein Profi.«
»Woran sehen Sie das?«
»Er will gebrauchte und kleine Scheine, er verlangt eine machbare Summe und er schlägt keinen Übergabeort vor.« Kriminaldirektorin Rolfs schüttelt den Kopf.
»Aber wie kommen wir an einem Feiertag in so kurzer Zeit an so viele gebrauchte Scheine ran?« Ich finde zwei Millionen sehr viel Geld, ich habe nicht mal eine Vorstellung, wie viel das in Geldbündeln ist.
Rolfs schaut mich an, als würde sie mich zum ersten Mal wirklich wahrnehmen. »Das weiß ich auch noch nicht. Aber wir werden in Kürze«, sie schaut auf ihre große Männerarmbanduhr, »mit den Eltern der Kleinen reden und die haben sicher Möglichkeiten. Für gewöhnlich hat sich der Kidnapper über die Vermögensverhältnisse schlau gemacht. Wer wohnt sonst noch in dieser Wohnung?«
»Niemand. Aber sie haben eine Haushälterin.«
»Und warum ist die nicht hier?«
»Andrea Reimann ist unterwegs, sie wollte so gegen sechzehn Uhr zurück sein.«
Ich kann förmlich sehen, wie es in Frau Rolfs arbeitet, sie will die vollständige Adresse, die ich natürlich nicht habe. Aber über die Handynummer, die ich von Andrea bekommen habe, finden die Beamten dann Andrea Reimanns Adresse und einer von Hinzes Männern wird abkommandiert, sich um ihren Hintergrund zu kümmern. Was für eine Zeitverschwendung! Andrea arbeitet schon zwei Jahre hier und ist dankbar für diesen Job. Aber ich verstehe, dass die Beamten nach jedem Strohhalm greifen müssen.
Ich laufe in die Küche und hole die Kaffeekanne. Ich muss jetzt etwas zu tun haben. Mit der Kanne gehe ich herum. Auch Frau Rolfs möchte noch welchen. Sie trinkt ihn schwarz mit drei Stück Zucker. Nachdem sie einen Schluck genommen hat und sich ihr Gesicht danach etwas entspannt, traue ich mich, sie zu fragen, was mich beschäftigt. Kennt der Kidnapper mich, wenn er verlangt, dass ich das Geld überbringen soll? Natürlich kennt er mich, blöde Frage, schießt es mir gleich durch den Kopf.
Frau Rolfs hat nur eine knappe Antwort für mich parat. »Das weiß ich nicht und das werden Sie nicht.« Sie trinkt den Kaffee aus, ohne die Tasse abzusetzen.
»Warum denn nicht? Der Kidnapper schreibt doch extra, dass die Übergabe nur durch mich stattfinden darf.«
»Darüber entscheidet nicht er, sondern die Kollegen und ich. Zusammen haben wir mehr Erfahrung mit erpresserischem Menschenraub als sonst jemand in ganz Deutschland. Und Sie können mir glauben, Zivilisten taugen nicht zur Geldübergabe, sie sind viel zu nervös und bringen dadurch nur alle
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