Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
während er in ein breites Grinsen ausbrach.
»Und die Story wird sich lohnen, das verspreche ich Ihnen.«
Cowart schwieg. Er hatte das Gefühl, in einen dunklen Strudel zu geraten.
»Na schön, Mr. Cowart«, sagte Sullivan. »Sind Sie bereit? Fahren Sie jetzt in den Tarpon Drive, Nummer dreizehn. Wie gefällt Ihnen die Zahl? Tarpon Drive in Islamorada.«
»Das liegt in den Keys. Ich komme doch gerade …«
»Fahren Sie einfach hin! Und dann kommen Sie zurück und erzählen mir, was Sie da vorgefunden haben. Und lassen Sie nichts aus!«
Für einen Moment sah Cowart den Häftling zögernd an. Dann schwanden die Zweifel, und er stand auf.
»Beeilen Sie sich, Cowart! Fahren Sie los, uns bleibt nicht mehr viel Zeit!« Damit wandte er sich von Cowart ab und brüllte nach draußen: »Sergeant Rogers! Halten Sie mir den Mann vom Leib! Ich will ihn nicht mehr sehen.«
Ein letztes Mal streifte sein Blick den Journalisten. »Bis morgen. Das ist der sechste Tag.«
Cowart nickte und strebte mit eiligen Schritten zum Ausgang.
Nur knapp erwischte Cowart den letzten Flug nach Miami. Erst nach Mitternacht war er endlich in seiner Wohnung, wo er sich in seinen Kleidern aufs Bett warf. Ihm war so mulmig, als hätte er Lampenfieber – wie ein Schauspieler, den man auf die Bühne vor das Publikum schubst, ohne dass er weiß, welche Figur er in welchem Stück spielen, geschweige denn, welchen Text er sprechen soll. Er verdrängte seine Gedanken, so gut er konnte, und fiel für ein paar Stunden in unruhigen Schlaf.
Am folgenden Tag fuhr er bereits um acht Uhr morgens in der klaren, sich rasch erwärmenden Luft Richtung Süden in die Upper Keys. Am Himmel leuchteten ein paar träge, weiße Wolken in der frühen Morgensonne. Er manövrierte sich am Berufsverkehr vorbei, der sich auf dem verstopften South Dixie Highway in die City quälte, und raste in die entgegengesetzte Richtung. Hier dehnte sich Miami endlos aus, bis nur noch ein flaches Einkaufszentrum mit grell bunten Schildern und leeren Parkplätzen aufs andere folgte. Auf seinem Weg durch die Außenbezirke hatte er freie Bahn. Am Stadtrand ließ er eine Reihe Autohäuser hinter sich, vor deren hochglanzpolierter Flotte hunderte US-Fahnen und übergroße Spruchbänder mit verlockenden Sonderangeboten flatterten. In der kristallklaren Luft steuerten im großen Bogen zwei silberne Kampfjets um die Wette die Basis der Air Force in Homestead an. Begleitet von Maschinenlärm vollführten sie bei ihrem Anflug dicht nebeneinander wie zwei Balletttänzer einen eleganten Pas de deux.
Wenige Meilen weiter überquerte er auf seiner rasanten Fahrt zu den Keys die Card Sound Bridge. Auf einem Telefonmasten entdeckte er ein Storchennest, und als er daran vorüberjagte, erhob sich einer der weißen Vögel und schwang sich in den Himmel hinauf. Ein paar Meilen weiter rauschte Cowart durch eine flache, grüne Landschaft, dann folgten zu seiner Linken in immer dichteren Abständen Buchten und schließlich die riesige Florida Bay. Das blaue Wasser kräuselte sich in der leichten Dünung. Er fuhr zielstrebig weiter.
Die Straße zu den Keys windet sich durch Feuchtgebiete und Wasser; überall da, wo fester Boden ein paar Meter aus dem Wasser ragt, greift die Zivilisation zu. Wo der unwegsame Boden am Rand der Korallenriffe ein festes Fundament für Gebäude bietet, entstehen Jachthäfen und Wohnkomplexe in einem Ausmaß, als bildeten sie Ableger oder Horste: Eine Tankstelle weitet sich zum Mini-Markt aus. Ein grell pink gestrichenes T-Shirt-Geschäft schlägt Wurzeln, aus der die Filiale einer Fastfood-Kette sprießt. An einer Anlegestelle wächst ein Restaurant aus dem Boden, auf der anderen Straßenseite entsteht ein Motel. Wo genug Grund und Boden ist, da sind Schulen und Krankenhäuser, da halten sich Wohnwagenparks hartnäckig auf einer Mischung aus Splitt, Lehm und zerstoßenen weißen Muscheln. Das Meer ist nie weit weg, und seine endlose glitzernde Fläche spottet, so scheint es, den jämmerlichen Anstrengungen des Menschen Hohn. Cowart ließ Marathon hinter sich und erreichte den Eingang zum Pennekamp State Park. Am Jachthafen Whale Harbor erspähte er einen riesigen blauen Marlin aus Plastik, der am Eingang zum Sportfischereihafen prangte und alle lebenden Fische, die je mit dem Golfstrom hierhergekommen waren, in den Schatten stellte. An den Geschäften und dem Supermarkt, die er passierte, verblich die weiße Wandfarbe in der unbarmherzig heißen Sonne der Keys.
Erst am
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