Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
Sportteil.«
»Können Sie mir vielleicht helfen? Ich wollte zu den Leuten, die hier wohnen. Aber es macht niemand auf.«
»Ehrlich? Die verlassen doch praktisch nie das Haus.«
»Wer?«
»Mr. und Mrs. Calhoun. Die alte Dot und der gute Fred. Sitzen normalerweise drinnen und lesen die Bibel, während sie entweder auf das Jüngste Gericht warten oder auf den Sears-Katalog. Der Katalog kommt ziemlich zuverlässig.«
»Leben die beiden schon lange hier?«
»Seit sechs, sieben Jahren. Vielleicht auch schon ein bisschen länger, vor meiner Zeit.«
Cowart war immer noch zwiegespalten, doch er schob rasch eine Frage hinterher. »Bekommen die manchmal Post aus Starke? Aus dem Staatsgefängnis?«
Der Zusteller ließ den Sack zu Boden fallen und seufzte. »Sicher. Vielleicht einmal im Monat.«
»Wissen Sie, wer Blair Sullivan ist?«
»Was dachten Sie denn«, antwortete der Mann. »Den brutzeln sie auf dem Stuhl. Hab ich dieser Tage in Ihrer Zeitung gelesen. Hat das hier was mit Sullivan zu tun?«
»Kann schon sein, ich bin mir nicht sicher«, erwiderte Cowart. Während der Briefbote einen Stoß Wurfsendungen hervorzog und die Klappe zum Kasten öffnete, starrte Cowart zum Haus.
»Oh«, sagte der Zusteller.
»Was?«
»Die haben die Post nicht reingeholt.«
Jetzt wanderte auch der Blick des Boten über den staubigen Vorgarten zum Eingang. »So was hasse ich. Alte Leute holen immer ihre Post rein, immer, es sei denn, es stimmt irgendwas nicht. In jüngeren Jahren habe ich in Miami Beach ausgetragen. Man wusste genau, was man drinnen vorfinden würde, wenn sie die Post nicht reingeholt hatten.«
»Wie lange?«
»Offenbar schon seit ein paar Tagen. Mist, Mann, wie ich das hasse.«
Cowart lief zum Haus zurück. Er trat an ein Fenster und blickte hinein. Drinnen konnte er nur billige Möbel in einer kleinen Sitzecke ausmachen. An der Wand hing eine bunte Jesus-Darstellung mit einem Lichtkranz, der seinen Kopf überstrahlte. »Können Sie da drüben irgendwas sehen?«, fragte er den Postboten, der nun ebenfalls an der Vorderseite des Hauses stand und zu einem anderen Fenster hineinspähte, indem er gegen die helle Sonne die Hand über die Augen legte.
»Nur ein Schlafzimmer, niemand drin.«
Beide Männer traten ein paar Schritte zurück, und Cowart rief: »Mr. und Mrs. Calhoun! Hallo!«
Stille. Cowart ging zur Haustür und packte den Knauf. Er ließ sich drehen. Er warf dem Postboten einen Blick zu, den dieser mit einem stummen Nicken quittierte. Er öffnete die Tür und trat ins Haus.
Im selben Moment schlug ihm ein mörderischer Gestank entgegen.
Der Postbote seufzte und legte Cowart die Hand auf die Schulter. »Ich weiß, was das ist«, sagte er. »Hab ich zum ersten Mal in Vietnam gerochen. Bekomme ich nie wieder aus der Nase.« Er verstummte und lauschte. »Hören Sie mal.«
Der Geruch schnürte Cowart die Kehle zu. Wie in einer giftigen Rauchwolke bekam er kaum noch Luft. Dann hörte er ein summendes Geräusch von der Rückseite des Hauses.
Der Briefträger trat den Rückzug an. »Ich hole die Polizei.«
»Ich seh nach«, erwiderte Cowart.
»Lassen Sie das lieber«, sagte der Mann. »Nicht nötig.«
Cowart schüttelte den Kopf. Er begab sich tiefer ins Haus, als zögen ihn der Gestank und das Surren magisch an. Ein kurzer Blick über die Schulter genügte, um festzustellen, dass der Zusteller zum Haus eines Nachbarn gerannt war. Cowart machte noch ein paar Schritte ins Haus hinein. Er spähte in alle Richtungen, prägte sich Einzelheiten ein, um sie später beschreiben zu können – das schäbige alte Mobiliar, die Devotionalien und den unabweislichen Eindruck, dass dies der letzte Ort auf Erden war. Er tauchte in die Gluthitze und den unerträglichen Gestank ein wie in eine brodelnde Kloake, die ihm in die Kleider, die Nase, in sämtliche Poren drang und ihm den Magen umdrehte. Vom Wohnzimmer ging er in die Küche.
Dort entdeckte er den alten Mann und die alte Frau.
Sie saßen sich, wie zu einer gewöhnlichen Mahlzeit, an einem Esstisch mit Linoleumplatte gegenüber. Die Arme waren hinter der Rückenlehne gefesselt, der Mann trug Kleider, die Frau war nackt.
Man hatte ihnen die Kehle aufgeschlitzt.
Auf dem Boden zu ihren Füßen hatten sich Blutlachen gebildet, unter den wirren Haaren krabbelten Fliegen. Ihre Köpfe waren nach hinten gesackt, so dass ihre leblosen Augen zur Decke starrten.
Mitten auf dem Tisch lag eine aufgeschlagene Bibel.
Cowart würgte, kämpfte gegen die Ohnmacht und
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