Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
seinen Magen an, der sich in einer Woge der Übelkeit zusammenkrampfte.
Als er einen letzten Schritt nach vorn machte, um zu lesen, was auf der aufgeschlagenen Seite stand, schien ihm das Surren der Insekten unerträglich laut. Er starrte auf das Buch der Bücher. Mit Blut war eine Textstelle markiert.
Sie haben einen solchen Namen hinterlassen, dass man noch heute von ihnen erzählt und sie lobt. Aber andere haben keinen Ruhm und sind umgekommen, als wären sie nie gewesen. Und als sie noch lebten, war es, als lebten sie nicht und ebenso ihre Kinder nach ihnen.
Er zuckte zurück und sah sich in der Küche um. In der Ecke führte eine Tür mit einem einfachen aufgebrochenen Kettenschloss zum Garten. Das Schloss hing am zersplitterten, morschen Holz. Er wandte sich wieder zu dem Paar am Tisch um. An den schlaffen Brüsten der Frau klebte braunschwarzes, verkrustetes Blut. Er trat zurück, erst einen Schritt, dann noch einen, dann rannte er los und zur Haustür hinaus. Die Hände auf die Knie gestützt, atmete er tief durch, während der Briefträger gerade von der anderen Straßenseite herüberkam. Cowart wurde plötzlich so schwindelig, dass er sich auf die Eingangstreppe setzen musste.
»Sind sie tot?«, rief der Briefbote ihm zu.
Cowart nickte.
»Mein Gott«, sagte der Mann. »Ist es schlimm?«
Wieder nickte er.
»Die Polizei ist schon unterwegs.«
»Sie wurden ermordet«, sagte Cowart leise.
»Ermordet? Im Ernst?«
Ein drittes Mal senkte er den Kopf.
»Gütiger Gott«, sagte der Postbote. »Wieso?«
Cowart antwortete nicht, sondern schüttelte nur den Kopf, auch wenn tausend Gedanken auf einmal über ihn hereinbrachen.
Ich weiß es, dachte Cowart. Ich weiß, wieso.
Ich weiß, wer sie sind und weshalb sie sterben mussten.
Diese beiden Menschen, hatte Blair Sullivan ihm erzählt, hatte er schon immer töten wollen. Schon immer. Und nun hatte er es schließlich getan – ohne dass ihn Gitter, Tore und Zäune, Gefängnismauern und Stacheldraht daran gehindert hätten, so wie er es angekündigt hatte.
Nur wie, das war die Frage.
10
Ein Pakt auf dem Weg
zur Hölle
E rst am späten Vormittag des siebten Tages traf Cowart wieder im Gefängnis ein.
Die Mordermittlungen hatten sich hingezogen. Er und der Postbote hatten schweigend auf den Eingangsstufen zum Haus gewartet, bis der Streifenwagen kam. »Mann, ist das ein Ding«, hatte der Briefträger gesagt. »Dabei wollte ich auf die Flut am Nachmittag warten und mir einen richtig guten Brocken fürs Abendessen an den Haken holen. Jetzt ist es zu spät, um noch mit dem Boot rauszufahren.« Er schüttelte den Kopf.
Nach einer Weile hörten sie das Knirschen von Reifen auf dem Tarpon Drive, und als sie aufblickten, stellten sie fest, dass ein einziger Polizist gekommen war. Er parkte vor dem Haus, stieg gemächlich aus dem grün-weißen Auto und kam auf die beiden Männer zu.
»Wer hat angerufen?« Es war ein junger Mann mit den Muskeln eines Bodybuilders und einer Pilotensonnenbrille, die seine Augen verbarg.
»Ich«, sagte der Zusteller. »Aber er ist reingegangen.« Dabei zeigte er mit dem Daumen auf Cowart.
»Wer sind Sie?«
»Ein Reporter vom Miami Journal «, erwiderte Cowart gedrückt.
»Hm, verstehe. Und was liegt vor?«
»Zwei Tote. Ermordet.«
Der Polizist klang plötzlich lebhaft interessiert.
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Gehen Sie rein und sehen Sie selbst.«
»Rühren Sie sich beide nicht vom Fleck.« Der Polizist drängte an ihnen vorbei.
»Was dachten Sie denn, wo wir hingehen?«, fragte der Postbote leise. »Gütiger Gott, ich hab so was unendlich viel häufiger gesehen als der Bursche. He!«, rief er dem Cop hinterher. »Es ist genau wie im Krimi. Fassen Sie nichts an!«
»Das weiß ich auch«, antwortete der junge Beamte. »Gott!«
Sie beobachteten, wie er mit vorsichtigen Schritten ins Haus ging. »Schätze, dem steht der erste Schock seiner beruflichen Laufbahn bevor«, sagte Cowart.
Der Postbote grinste. »Wahrscheinlich hat er bis jetzt gedacht, sein Job bestünde im Wesentlichen darin, Raser nach Key West zu jagen.«
Noch ehe Cowart etwas erwidern konnte, hörten sie den Polizisten brüllen: »Schei-ße!« Der Ausruf kam gedehnt und schrill, wie von einer Möwe, die sich mit flatternden Flügeln in den Himmel erhebt.
Es trat eine kurze Pause ein, dann hörten sie die eiligen Schritte des jungen Mannes in ihre Richtung kommen. Er schaffte es gerade noch zur Tür hinaus und an den beiden Männern vorbei, dann
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