Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
geführt hat, und dann sein letzter. Schon ungewöhnlich, oder wie sehen Sie das?«
»Kann ich nicht sagen, Detective. Er war ein ungewöhnlicher Mann.«
»Ich glaube, Sie auch, Mr. Cowart«, sagte sie, machte auf dem Absatz kehrt und verließ, gefolgt von ihrem Partner, den Konferenzraum. Cowart sah ihr hinterher, wie sie sich mit zügigen Schritten ihren Weg durch die Redaktion bahnte und durch die Eingangstür verschwand. Sie hatte muskulöse Waden. Vermutlich war sie Joggerin, dachte er. Sie ist dieser durchtrainierte Typ mit diesem getriebenen, gequälten Ausdruck. Er hätte sich gerne eingeredet, dass sie ihm seine Darstellung abgekauft hatte, doch er wusste, wie lächerlich das war.
Auch der Lokalredakteur verfolgte den Abgang der beiden Polizisten. Dann holte er tief Luft und stellte das Offensichtliche fest.
»Matty«, sagte er ruhig. »Das Mädel glaubt dir kein Wort. War es so bei Sullivan?«
»Ja, in etwa.«
»Das steht alles auf ziemlich wackeligen Füßen, stimmt’s?«
»Ja.«
»Matty, ist da irgendwas im Busch?«
»Es liegt nur an Blair Sullivan«, antwortete Cowart. »Psychospielchen. Die hat er mit mir getrieben. Mit jedem. Das war seine Hauptbeschäftigung, wenn er nicht gerade Leute umbrachte.«
»Und was die Polizistin da eben angedeutet hat – wie stehst du dazu?«
Cowart suchte nach einer einigermaßen plausiblen Erklärung. »Irgendwie schien es, als machte der Kerl einen Unterschied zwischen seinen Verbrechen. Diejenigen, die ihm wichtig waren, die beiden, die nicht auf der Kassette sind, die hatten offenbar eine besondere Bedeutung. All die anderen dagegen waren für ihn offenbar nur Massenware. Stoff für die Legende, sein Vermächtnis. Ich bin kein Seelenklempner. Ich kann nicht sagen, was in seinem Kopf vor sich ging.«
Der Lokalredakteur nickte. »Steht das morgen so in der Zeitung?«
»Ja, mehr oder weniger jedenfalls.«
»Wir sollten mit dem, was wir drucken, immer auf Nummer sicher gehen, okay? Falls du irgendwo Zweifel hast, lass es lieber weg. Oder sorge zumindest dafür, dass es belegt ist. Es läuft uns ja nicht weg, wir können es später bringen.«
Cowart rang sich zu einem Lächeln durch. »Ich versuch’s.«
»Tu dein Bestes«, sagte der Lokalredakteur. »Du weißt, dass der Artikel mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt. Ich meine, wen wollte Sullivan decken? Du findest das raus, nicht wahr? Während Edna die anderen Morde überprüft, kümmerst du dich um den Aspekt?«
»Ja.«
»Mordsgeschichte. Ein Mann, der unmittelbar vor seiner Exekution noch einen Mord anzettelt. Womit haben wir es hier zu tun? Mit einem korrupten Gefängniswärter? Einem Anwalt vielleicht? Einem anderen Häftling? Schlaf dich aus und mach dich an die Arbeit, einverstanden? Schon eine ungefähre Ahnung, wo du am besten anfängst?«
»Denke schon«, antwortete er. Nicht nur, wo ich anfangen soll, sondern auch, wo es hinführt, dachte er zähneknirschend: zu Robert Earl Ferguson.
Trotz seiner Erschöpfung blieb Cowart bis in die frühen Abendstunden hinein in der Redaktion. Solange er konnte, ignorierte er die Fernseh-Crews, die sich vor dem Gebäude postiert hatten und beharrlich auf ihn warteten. Doch als die Direktoren der jeweiligen Sender beim Chefredakteur anriefen, sah er sich gezwungen, hinauszugehen und ein kurzes, unbefriedigendes Statement abzugeben. Was sie natürlich nur noch mehr erzürnte, statt sie zu beschwichtigen. Nachdem er die improvisierte Pressekonferenz beendet hatte, machten die Fernsehjournalisten keine Anstalten zu gehen. Cowart hingegen wartete einfach auf den Schutz der Dunkelheit. Nachdem die Frühausgabe gedruckt war, las er die Worte, die er mit so viel Überwindung geschrieben hatte, als würden sie ihm physisch weh tun, noch einmal durch. Für die Spätausgabe änderte er ein, zwei Sätze, um die Zweifel an Sullivans Geständnis und das letztlich rätselhafte Handeln des hingerichteten Mannes zu unterstreichen. Er tauschte sich ein letztes Mal mit Edna McGee und dem Lokalredakteur aus und glitt dann mit dem Lastenfahrstuhl hinunter, durch die Eingeweide des Zeitungsgebäudes – an den Serverräumen, der Anzeigenredaktion und der Cafeteria vorbei bis zur Auslieferung. Bis in die Fußsohlen hinein war die Vibration der Druckmaschinen zu spüren.
Wieder gabelte ihn ein Transporter auf und brachte ihn bis fast zu seiner Wohnung. Er klemmte sich ein Exemplar der nächsten Ausgabe unter den Arm und lief das restliche Stück durch die nächtliche Stadt.
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