Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
Magen. Was muss ich daraus schließen, falls er einmal gelogen hat? Gibt es einen zweiten Fall? Ein Dutzend andere Fälle? Wen hat der Kerl nun ermordet? Und wen nicht? Wo hat er die Wahrheit gesagt und wo nicht?
Vielleicht war ja alles gelogen, und Ferguson hat doch die Wahrheit gesagt? Sein Bild von Ferguson verwandelte sich von einer Sekunde auf die andere wieder vom krankhaften, mörderischen Monster in den zu Unrecht verurteilten, wütenden Mann zurück. Sullivans Lügen, Halbwahrheiten und Fehlinformationen bildeten einen heillosen Wirrwarr.
Unschuldig?, dachte Cowart.
Er starrte auf den Bildschirm, während er sich an Sullivans Worte erinnerte.
Schuldig?
Er war’s.
Er war es nicht.
Edna wedelte erneut mit der Abschrift. »Da sind noch ein paar, die möglicherweise nicht stimmen, aber das ist nur eine Vermutung. Fragt sich allerdings, wieso, hä? Wozu gesteht er Morde, die er nicht begangen hat?«
Sie schwieg einen Moment und beantwortete die Frage selbst. »Weil er bis zuletzt ein kranker Irrer war. Und einen Serienmörder scheint es mächtig anzutörnen, der brutalste oder schlimmste von allen zu sein. Kannst du dich noch an diesen Henley in Texas erinnern? Hat zusammen mit diesem anderen Knaben achtundzwanzig Menschen um die Ecke gebracht. Und dann sitzt er endlich im Knast und muss erfahren, dass John Gacy aus Chicago dreiunddreißig auf dem Kerbholz hat. Prompt ruft Henley bei der Kripo in Houston an und sagt: ›Ich halte doch den Rekord …‹ Ich meine, wie krank kann man sein?«
»Kann man wohl sagen«, erwiderte Cowart, während ihm die Zweifel an den Eingeweiden nagten.
Edna beugte sich über seine Schulter, um einen Blick auf seinen Artikel zu werfen. »Mindestens neununddreißig Verbrechen. Na ja, sagt er. Besser, du relativierst das.«
»Mach ich.«
»Gut. Hat er dir zu dem Doppelmord in den Keys irgendwas gesagt?«
»Nein«, antwortete Cowart prompt. »Nur, dass er ihn angestiftet hätte.«
»Also, irgendwas muss er dir doch dazu verraten haben …«
»Er hat was von Flurfunk erzählt«, beeilte sich Cowart zu sagen, »der bis in den Todestrakt reicht. Meinte, alles ließe sich deichseln, sei nur eine Frage des Preises. Hat aber nicht gesagt, was er bezahlt hat.«
»Also, ich überlege gerade. Ich meine, du musst natürlich schreiben, was er gesagt hat. Aber rauszufinden, was dahintersteckt … also, viel Spaß.«
Sie blickte auf und sah zu den beiden Polizisten hinüber, die sich in das transkribierte Geständnis vertieft hatten. »Meinst du, die haben irgendwelche handfesten Beweise? Schätze mal, die hoffen einfach, dass du ihnen die Lösung des Falls auf dem Silbertablett servierst.« Der zynische Unterton war nicht zu überhören.
Er sah zu ihr auf. »Edna«, fing er an.
»Du könntest Hilfe brauchen, um diesen Ungereimtheiten auf den Grund zu gehen, stimmt’s?« Edna klang hellauf begeistert. Sie schlug mit der flachen Hand auf den Stoß Papiere. »Um rauszukriegen, welcher davon ein klares Ja, ein Vielleicht oder ein Unmöglich ist?«
»Ja, bitte. Würdest du das übernehmen?«
»Mit Vergnügen. Wird ein paar Tage dauern, aber ich mach mich gleich dran. Ich sag der Chefetage Bescheid. Bist du sicher, dass es dir nichts ausmacht, die Story mit mir zu teilen?«
»Nein, kein bisschen.«
Edna deutete auf den Bildschirm. »Sei lieber vorsichtig mit Sullys Geständnis. Könnte sein, dass es noch mehr Probleme damit gibt. Grab dir keine Löcher, aus denen du nicht wieder rauskommst.«
Cowart wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
»Weißt du, eins muss man dem alten Sully ja lassen. Hat es keinem leicht machen wollen, und das ist ihm gelungen«, sagte sie und drehte sich um.
Er verfolgte Edna McGees Slalom durch das Großraumbüro, bis sie den Lokalredakteur erreichte und angeregt mit ihm sprach. Er sah, wie beide auf den Stapel mit den transkribierten Aussagen des Mörders starrten. Er sah, wie der Mann den Kopf schüttelte und eilig zu ihm herüberkam.
»Stimmt das?«, fragte ihn der Redakteur.
»Sagt sie jedenfalls. Kann ich nicht beurteilen.«
»Dann müssen wir jede klitzekleine Einzelheit in der Geschichte überprüfen.«
»Seh ich auch so.«
»Verflucht! Wie willst du dann den Artikel schreiben?«
»Als die letzten Worte des Mannes vor seinem Tod. Behauptungen ohne Beweise. Noch völlig ungewiss, wo die Wahrheit liegt. Fragen über Fragen. So in der Art.«
»Verlege dich vor allem auf die Schilderung und halte dich mit Schlussfolgerungen zurück.
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