Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
Theateraufführung der Klasse gewählt worden; die andere hatte herausgefunden, dass sie eine Stunde früher von einem Date nach Hause kommen musste als alle ihre Freundinnen. Das waren ernstzunehmende Probleme, die seine ganze Aufmerksamkeit erforderten. Bei manchen Aufgaben weigerte sich sein Vater schlichtweg, sie zu übernehmen; die Regeln festzulegen gehörte dazu. »Dein Haus, ich bin nur zu Besuch hier«, hatte der alte Mann ihm erklärt. Dafür hatte er sich geduldig die Klagen der Jüngeren wegen der Rolle angehört, die ihr durch die Lappen gegangen war. Vielleicht war sein Vater in solchen Situationen um die gelegentliche Schwerhörigkeit zu beneiden.
Er hatte ihnen nicht gesagt, wo er gewesen war, und auch nicht, was er vorhatte. Er hatte sie belogen und hätte auch gelogen, hätte ihn jemand gefragt, wovor er sich fürchtete. Mit Erleichterung hatte er festgestellt, dass beide Mädchen so sehr mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt waren, dass sie sich für nichts anderes interessierten. Er hatte sie beide angesehen, sich mit halbem Ohr ihre Klagen angehört und dabei die ganze Zeit das Bild von Dawn Perry im Kopf gehabt, das er immer noch in der Jackentasche bei sich trug. Wo ist der Unterschied zwischen den beiden Mädchen und der kleinen Dawn?
Er war mit sich ins Gericht gegangen: Als Polizist kannst du einpacken, wenn du es nicht schaffst, in den Ereignissen etwas anderes als Fälle mit Aktenzeichen zu sehen. Er tat alles in seiner Macht Stehende, um sich an die Fakten zu halten, an das, was er beweisen konnte. Er kämpfte gegen seinen Instinkt an, denn sein Instinkt sagte ihm, dass da draußen etwas viel Schlimmeres im Gange war, als er je zu denken gewagt hätte.
»Da wären wir«, sagte Wilcox.
Sie fuhren so schnell bis vor die Hütte, dass der lose Kies an den Unterboden des Wagens prasselte. Wilcox trat brutal auf die Bremse und starrte zu dem schäbigen alten Holzhaus hinüber, bevor er sagte: »Also, Cowart, bin gespannt, wie Sie die Alte beschwatzen wollen, Sie reinzulassen.« Er drehte sich um und schaute ihn missmutig an.
»Gib endlich Ruhe, Bruce«, brummte Brown.
Cowart antwortete nicht, sondern stieg aus und war mit wenigen Schritten an der Tür. Als er sich noch einmal umsah, lehnten sich die beiden Polizisten an den Wagen und blickten ihm hinterher. Er kehrte ihnen den Rücken und rief, während er die Eingangsstufen hochging: »Missus Ferguson? Sind Sie da, Ma’am?«
Er legte sich die Hand über die Augen, als er aus der grellen Sonne unter das Vordach trat und im ersten Moment nichts erkennen konnte.
»Missus Ferguson? Matthew Cowart. Vom Journal. «
Es kam immer noch keine Antwort.
Er klopfte fest an den Türrahmen und spürte, wie er unter seinen Fingerknöcheln wackelte. Von den weiß gestrichenen Brettern blätterte die Farbe ab.
»Missus Ferguson, Ma’am? Bitte.«
Endlich waren von drinnen schlurfende Schritte zu hören. Ein weiterer Moment verging, bevor aus dem Dunkel eine geisterhafte Stimme sagte: »Ich weiß, wer Sie sind. Was wollen Sie nun schon wieder?« Die krächzende Stimme hatte nichts von ihrem barschen Ton verloren.
»Ich müsste mich noch einmal mit Ihnen über Bobby Earl unterhalten.«
»Wir haben mehr als genug geredet, Mr. Reporter. Was ich zu sagen hab, ist alles aufgebraucht. Haben Sie immer noch nicht genug gehört?«
»Nein. Nicht annähernd genug. Darf ich reinkommen?«
»Was? Sie haben nur Fragen für drinnen?«
»Missus Ferguson, bitte. Es ist wichtig.«
»Wichtig für wen, Mr. Reporter?«
»Für mich. Und für Ihren Enkel.«
»Glaub ich nicht«, antwortete sie.
Wieder trat Stille ein. Inzwischen hatten sich Cowarts Augen an die Dunkelheit gewöhnt, und er konnte durch die Fliegengittertür Formen und Gegenstände ausmachen. Er sah einen alten Tisch mit einem Wasserkrug und in der Ecke einen Stock und eine Flinte. Dann endlich hörte er sich nähernde Schritte, und wenig später erschien die zerbrechliche alte Frau in der Tür; ihre Haut verschmolz mit dem Schatten des Hauses, während sich in ihrem silbernen Haar die Sonne fing. Sie kam langsam und mit finsterer Miene auf ihn zu, als hätte die Arthritis in den Hüften und im Kreuz auf ihr Herz übergegriffen.
»Ich hab mehr als genug mit Ihnen geredet. Was müssen Sie denn nun noch wissen?«
»Die Wahrheit«, antwortete er kurz und bündig.
Die alte Frau verzog das mürrische Gesicht zu einem Lachen. »Und Sie meinen, Sie könnten hier ein paar Wahrheiten finden,
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