Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
die an einer Bushaltestelle warteten, verschwunden. Sie besiegte die Woge der Panik, die sie erfasste. Die Heizung kam nur langsam in Gang und machte ein surrendes Geräusch. Wie aus einer Sprühdose traf sie schließlich ein heißer Schwall und wärmte ihr das Gesicht, wenn auch nicht die Gedanken.
Was hat er im Todestrakt gelernt?, hämmerte es in ihrem Kopf.
Dass er studieren soll.
Aber was?
Kriminalwissenschaften.
Wozu?
Weil alle anderen im Todestrakt eine Prüfung nicht bestanden hatten, Männer, die ein Verbrechen, einen Mord nach dem anderen begangen hatten und am Ende in die Falle gegangen waren und auf den elektrischen Stuhl warteten, weil sie es vermasselt hatten. Selbst Sullivan hatte es vermasselt. Ihr kam ein Zitat von ihm in den Sinn, das sie in einem von Cowarts Artikeln gelesen hatte: »Ich hätte mehr umgebracht, hätten sie mich nicht geschnappt.« Ferguson dagegen hat eine zweite Chance bekommen, und er ist wild entschlossen, es diesmal nicht zu versauen.
Wieso?
Weil er so weitermachen will wie bisher und so lange es ihm passt.
Ihr wurde ein wenig schwindelig im Kopf. Um sich zu beruhigen, redete sie sich gut zu:
»Du liebe Güte, Andy, Mädchen, wo bist du da nur hineingeraten?«
Sie versuchte, an nichts zu denken, und machte sich auf zu ihrem Motel, während die Dämmerung hereinbrach. Sie konzentrierte sich aufs Fahren und richtete ihre ganze Sehnsucht auf einen sicheren Ort, um in aller Ruhe nachzudenken. Einmal starrte sie entsetzt in den Rückspiegel, weil sie glaubte, dass ihr ein Wagen folgte, doch zu ihrer Erleichterung bogen die Scheinwerfer ab. Sie biss die Zähne zusammen und bahnte sich im strömenden Regen ihren Weg, bis sie die vertrauten Lichter des Motels vor sich aufleuchten sah. Unglücklicherweise konnte sie jedoch in der Nähe des Eingangs keine Parklücke entdecken, und so sah sie sich gezwungen, den Wagen weit entfernt und in tiefer Dunkelheit abzustellen. Sie schaltete den Motor aus, holte einmal Luft und schätzte ab, wie weit sie zu laufen hatte. Ihr kam ein Gedanke. In Uniform und in einem Streifenwagen hätte sie es leichter. Stets in Verbindung mit der Zentrale, nie wirklich allein. Immer Teil eines Teams von Beamten, die auf den Highways Streife fuhren. Sie griff in ihre Tasche auf dem Beifahrersitz und holte die Neunmillimeter heraus. Dann verließ sie das Auto und lief auf dem kürzesten Wege direkt bis zum Eingang des Motels, während sie unablässig den Blick in alle Richtungen schweifen ließ und auf das kleinste Geräusch achtete. Erst etwa zehn Meter vom Eingang entfernt steckte sie die Waffe wieder weg. Ein älteres Ehepaar, das an der Tür zum Foyer ihren Weg kreuzte, musste den dunklen Metallgegenstand mit seiner unverwechselbaren Form in ihrer Hand gesehen haben. Sie schnappte einen Fetzen von ihrem erschrockenen Wortwechsel auf. »Hast du das gesehen? Die hatte eine Pistole …«
»Nein, Liebes, das muss was anderes gewesen sein …«
Und sie war in Sicherheit.
Am Empfang arbeitete ein junger Mann im blauen Blazer. Sie bat um ihren Schlüssel, und während er ihn ihr gab, sagte er wie nebenbei: »Ach, jemand hat nach Ihnen gefragt, Detective.«
»Ein Mann?«
»Ja. Er wollte keine Nachricht für Sie hinterlassen, hat nur nach Ihnen gefragt.«
»Haben Sie den Mann gesehen?«
»Nein, das war bei dem Kollegen, der vor mir Dienst hatte.«
Sie merkte, wie es ihr die Kehle zuschnürte. »Hat Ihr Kollege noch etwas gesagt? Den Mann beschrieben?«
»Ach so, ja. Es handelte sich um einen Schwarzen, ein Schwarzer hat nach Ihnen gefragt, aber er wollte keine Nachricht für Sie hinterlassen. Meinte, er setzt sich mit Ihnen in Verbindung. Weiter nichts. Tut mir leid, mehr weiß ich nicht.«
»Danke«, sagte sie.
Sie zwang sich, langsam zum Fahrstuhl zu gehen.
Wie hat er mich gefunden?, fragte sie sich.
Der Fahrstuhl glitt mit einem leisen Zischen nach oben, und sie tappte den Flur entlang zu ihrem Zimmer. Wie am ersten Abend sah sie, bevor sie die Tür zweifach verriegelte, überall nach. Dann sackte sie auf ihr Bett und dachte an die praktischen Dinge, zum Beispiel daran, wie sie sich etwas zu essen besorgen sollte, auch wenn sie keinen großen Hunger hatte. Und dann überlegte sie, was sie als Nächstes in Bezug auf Robert Earl Ferguson unternehmen sollte.
Jedes Mal, wenn sie ihn sich vorstellte, versuchte sie, dieses hämische Grinsen heraufzubeschwören, doch es gelang ihr nicht.
Mitten in ihre düsteren Gedanken hinein klopfte es laut an
Weitere Kostenlose Bücher