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Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Reportage.«
    »Und was für Meinungen vertritt Ferguson, Professor?«
    »Nun, ich würde sagen, er reagiert äußerst sensibel auf den Zusammenhang zwischen Berichterstattung und Ethnie. Er hat ein Referat über den Fall Wayne Williams in Atlanta geschrieben. Darin setzt er sich mit der Frage der Doppelmoral auseinander, wie mit zweierlei Maß über Verbrechen in der weißen und in der schwarzen Bevölkerung berichtet wird. Und zufällig teile ich seine Kritik, Detective.«
    Sie nickte.
    Professor Morin drehte sich, während er sprach, auf seinem Bürostuhl hin und her und hörte sich offenbar gerne reden. »Ja, er hat argumentiert, dass das mangelnde Interesse der Medien an Verbrechen in der schwarzen Bevölkerung unweigerlich zu einer Unterrepräsentanz der Polizei und damit zu einer unbefriedigenden Verbrechensbekämpfung und -aufklärung führt, wodurch wiederum der Eindruck entsteht, als gehöre eine hohe Kriminalitätsrate naturgemäß zu den vorwiegend schwarzen Gemeinden. Die These hat was – die Abstumpfung, die Routinisierung des Verbrechens, nehme ich an. Ist zumindest eine Erklärung dafür, wieso mindestens ein Viertel der jungen, männlichen Schwarzen in diesem Land schon einmal hinter Gittern war oder noch ist.«
    »Und er war immer anwesend?«
    »Ein paar Mal hat er entschuldigt gefehlt.«
    »Mit welchen Entschuldigungen?«
    »Gelegentlich wird er zu Ansprachen oder Vorträgen eingeladen, meist von verschiedenen kirchlichen Gruppen in Florida. Hier bei uns wissen die Leute natürlich nichts von seiner Vergangenheit. Selbst in meinem Seminar hatte zu Beginn des Semesters die Hälfte der Studenten von seinem Fall noch nie gehört. Ist das zu fassen, Detective? Spricht das nicht Bände darüber, mit was für Studenten wir uns heute abgeben müssen?«
    »Er kehrt also immer mal wieder nach Florida zurück?«
    »Ab und zu.«
    »Hätten Sie vielleicht die Daten zur Hand?«
    »Ja. Aber ich dachte, Sie interessieren sich nur für die Woche, in der …«
    »Nein, ich interessiere mich auch für die anderen Daten.«
    Professor Morin zögerte, zuckte dann aber mit den Achseln. »Was soll’s.« Er zog ein Büchlein heran, blätterte emsig darin und gelangte schließlich zu einer Anwesenheitsliste. Das aufgeschlagene Buch reichte er Andrea Shaeffer, und sie notierte sich rasch die Tage, an denen Ferguson durch Abwesenheit geglänzt hatte.
    »War’s das, Detective?«
    »Ich denke, ja.«
    »Sehen Sie, alles reine Routine und leicht zu erklären. Ich meine, er passt hierher. Hat eine Zukunft, denke ich. Auf jeden Fall das Zeug dazu, seinen Abschluss zu machen.«
    »Passt hierher?«
    »Natürlich sind wir eine große Universität in einem urbanen Umfeld, Detective. Er passt da rein.«
    »Anonym.«
    »Wie alle anderen Studenten auch.«
    »Wissen Sie, wo er wohnt, Professor?«
    »Nein.«
    »Oder sonst irgendetwas über ihn persönlich?«
    »Nein.«
    »Und Sie bekommen nicht so was wie eine Gänsehaut, wenn Sie mit ihm sprechen?«
    »Wie gesagt, er wirkt fokussiert, eifrig, konzentriert, aber das macht ihn wohl kaum zum Verdächtigen in einem Mordfall. Vermutlich fragt er sich, ob die Polizei in Florida ihn wohl jemals in Ruhe lassen wird. Und ich halte das für eine legitime Frage, Detective, Sie nicht?«
    »Ein Unschuldiger hat nichts zu befürchten«, antwortete sie.
    »Da bin ich anderer Meinung«, erwiderte der Professor und schüttelte den Kopf. »Ich denke, in unserer Gesellschaft können sich oft die Schuldigen in Sicherheit wiegen.«
    Sie betrachtete den Hochschullehrer, der offenbar gerade zu einer nostalgisch-radikalen Tirade im Stil der sechziger Jahre ansetzen wollte, doch sie beschloss, sich für diese Vorlesung zu entschuldigen, stand auf, verabschiedete sich und verließ den Raum. Zwar war sie noch nicht sicher, was genau sie erfahren hatte, doch aufschlussreich war die Begegnung auf jeden Fall gewesen, so viel stand fest.
    Anonym.
    Sie war halb am anderen Ende des Flurs, als sie das Gefühl bekam, dass jemand sie beobachtete. Sie fuhr herum und sah, wie der Professor die Tür zu seinem Büro schloss. Das Geräusch hallte von den Wänden wider. Sie ließ den Blick schweifen und stellte fest, dass die Studenten, die eben noch scharenweise durch die Gänge gelaufen waren, inzwischen in den Hörsälen und Übungsräumen verschwunden waren.
    Allein.
    Sie zwang sich zu einem lässigen Achselzucken. Es ist helllichter Tag. Das hier ist ein öffentliches Institut, mit einer Menge Menschen. Im Eilschritt lief

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