Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
sie weiter. Als sie nur noch ihre eigenen Sohlen auf dem Linoleumboden hörte, hastete sie auf eine Treppe zu, die sie zwei Stufen auf einmal nahm. Plötzlich hörte sie, wie hinter ihr eine Tür geöffnet und geschlossen wurde, und sie blieb wie angewurzelt stehen. Jemand kam die Treppe herunter auf sie zu. Sie drückte sich an die Wand, griff in ihre Handtasche und schloss die Finger um ihren Revolver. Sie sah nach oben und blickte in die Augen eines Studenten, der – einen Stapel Hefte und Texte unterm Arm – mit offenen Schnürsenkeln an ihr vorbei offenbar verspätet zu einer Veranstaltung eilte.
Sie schloss die Augen. Was ist mit mir los?, fragte sie sich und nahm die Hand von der Waffe. Was habe ich gehört? Auf den letzten Metern zum Ausgang starrte sie durch die Glasscheibe argwöhnisch auf die gegenüberliegenden Gebäude und den tristen Himmel über dem Hof.
Sie streckte die Hand nach der Tür aus.
Sie sah Ferguson nicht, sondern hörte ihn nur.
»Und? Alles erfahren, was Sie wissen wollten, Detective?«
Bei seiner leisen, zischenden Stimme zuckte sie zusammen.
In einer einzigen Bewegung fuhr sie zu der Stimme herum, stieß die Hand in ihre Tasche und machte einen Schritt rückwärts, als würde sie einem Schlag ausweichen. Sie bohrte den Blick in sein Gesicht und sah wieder dasselbe verstörende Grinsen.
»Überzeugt?«, fragte er.
Sie straffte die Schultern und hielt ihm stand.
»Hab ich Sie erschreckt, Detective?«
Sie brachte immer noch kein Wort heraus und schüttelte nur den Kopf. Obwohl sie den Griff des Revolvers spürte, zog sie ihn nicht aus der Tasche.
»Haben Sie vor, mich zu erschießen?«, fragte er in schneidendem Ton. »Sind Sie darauf aus?«
Ferguson trat einen Schritt vor, aus dem schattigen Winkel, in dem er ihr aufgelauert hatte. Er trug eine olivfarbene Armeejacke und dazu eine Kappe der New York Giants. In der Umhängetasche über der Schulter hatte er vermutlich seine Bücher. Er sah wie fast jeder andere Student aus, dem sie im Lauf des Tages in den Korridoren begegnet war. Sie atmete ruhig durch, bis ihr Herzschlag sich wieder normalisiert hatte, und zog die Hand aus der Tasche.
»Was haben Sie dabei, Detective? Eine Achtunddreißiger, Polizeimodell? Oder vielleicht eine Automatik, Kaliber .25? Etwas Kleines mit Durchschlagskraft?« Er starrte sie an. »Nein, ich wette, was Größeres, das Eindruck schindet. Eine Kaliber .357 mit Magnum-Munition. Eine Neunmillimeter wäre auch ganz passend, jedenfalls etwas, das Ihnen dabei hilft, sich einzureden, Sie wären taff. Eine starke Frau, die alles unter Kontrolle hat.« Er lachte. »Bleibt Ihr süßes Geheimnis, was?«
Ferguson nahm seine Tasche von der Schulter, stellte sie auf den Boden und breitete wie jemand, der sich ergibt, die Arme aus und drehte ihr die leeren Handflächen entgegen. »Aber wie Sie sehen, bin ich nicht bewaffnet. Was haben Sie also zu befürchten?«
Sie holte einmal tief Luft und stieß sie aus, um einen klaren Kopf zu bekommen und seine Spötteleien zu parieren.
»Also noch mal, Detective, haben Sie rausgefunden, was Sie wissen wollten?«
»Ja, ich habe einiges erfahren.«
»Zum Beispiel, dass ich an den Seminaren teilgenommen habe?«
»Richtig.«
»So dass ich nicht in Florida sein konnte, um dieses Paar umzubringen, richtig? Das wäre geklärt?«
»Sieht ganz danach aus. Ich überprüfe das noch.«
»Sie haben den Falschen, Detective.« Wieder grinste Ferguson. »Ihr Cops in Florida erwischt offenbar immer den Falschen.«
Sie erwiderte kalt seinen Blick. »Nein, Mr. Ferguson, das sehe ich anders. Ich glaube, Sie sind der Richtige, ich hab nur noch nicht rausgefunden, wobei.«
Ferguson funkelte sie an. »Sie sind ganz allein, nicht wahr?«
»Nein«, log sie, »ich habe einen Partner.«
»Und wo?«
»Bei der Arbeit.«
Ferguson trat an ihr vorbei zur Glastür und blickte auf die Gehwege und Parkplätze hinaus. Inzwischen prasselte der Regen in dichten Schwaden nieder.
»Neulich wurde direkt da draußen ein Mädchen niedergeschlagen und vergewaltigt. Kam ein bisschen später als die anderen aus einem Seminar, kurz nach Einbruch der Dunkelheit. So ein Typ hat sie einfach gepackt und da hinter diese kleine Böschung am Parkplatz gezerrt. Da hat er’s ihr besorgt. Sie ohnmächtig geschlagen und es ihr gegeben. Wenn auch nicht getötet. Nur den Unterkiefer gebrochen. Und den Arm. Und seinen Spaß mit ihr gehabt.«
Ferguson blickte weiter durch die Tür, hob den Arm und zeigte nach
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