Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
folgte ihrer Aufforderung nicht. Stattdessen drehte sie sich wie in einem uralten Stummfilm ruckartig zu der Stimme um und schwenkte die Flinte in ihre Richtung, als wollte sie die Polizistin erschießen.
»Halt!«, brüllte Shaeffer. Der Doppellauf zielte genau auf ihre Brust. Sie konnte keinen anderen Gedanken fassen als die Erinnerung daran, dass Zögern tödlich sein kann. Ein zweites Mal würde ihr das nicht passieren.
Cowart stieß einen einzigen unverständlichen Laut aus.
Brown schrie: »Nein!«, doch der Ruf ging in dem ohrenbetäubenden Schuss aus Shaeffers Pistole unter.
Sie spürte den Rückstoß der großen, schweren Handfeuerwaffe und hatte Mühe, die Pistole wieder unter Kontrolle zu bringen. Drei Schüsse hallten durch die morgendliche Stille und explodierten in dem kleinen, dunklen Haus.
Der erste Schuss traf die alte Frau und schleuderte sie wie ein Federgewicht nach hinten. Das zweite Projektil drang in die Wand, so dass Holzsplitter und Gipsbrocken umherflogen. Von der dritten Kugel zerbrach klirrend ein Fenster. Die getroffene Frau riss die Arme hoch, und das Gewehr fiel zu Boden. Im Sturz schlug sie mit dem Rücken gegen eine Wand und sackte mit erhobenen Händen wie zu einem letzten Gebet auf die Knie, bevor sie reglos liegen blieb.
»Mein Gott, nein!«, rief Tanny Brown.
Der Polizist stürzte zu der Frau, doch als sich in wenigen Sekunden auf dem weißen Morgenrock ein leuchtend roter Blutfleck ausbreitete, wandte er den Blick ab. Zuerst richtete er ihn auf Cowart, der starr vor Entsetzen den Mund aufgerissen hatte und sich nicht rührte. Der Reporter schloss ein paar Mal die Lider, um zu sich zu kommen. »Mein Gott«, sagte er und wandte sich im selben Moment zur Haustür um.
Ferguson war verschwunden.
Cowart zeigte zum Eingang und brüllte seine Fassungslosigkeit und seinen Zorn heraus, für die er keine Worte fand. Tanny Brown war mit wenigen Sätzen am leeren, zersplitterten Rahmen.
Andrea Shaeffer kam mit zitternden Händen näher und starrte wie gebannt auf die sterbende Frau.
Brown stürzte nach draußen auf die Veranda. Die unnatürliche Stille traf ihn wie ein Schlag. Unter den zarten Nebelschleiern und den ersten Sonnenstrahlen erschien ihm die Welt wie ein waberndes, trügerisches Gebilde, in dem sich Licht und Schatten diffus miteinander vermengten. Und kein Laut – weit und breit kein Lebenszeichen. Er ließ den Blick über den Hof schweifen und von dort zur Seite des Hauses, wo er Ferguson entdeckte, der zu seinem Wagen rannte.
»Stehen bleiben!«, brüllte Brown.
Ferguson blieb stehen, doch nicht, um der Aufforderung des Polizisten Folge zu leisten. Stattdessen drehte er sich zu dem Detective um und hob die rechte Hand, in der er einen kurzläufigen Revolver hielt. Er feuerte zweimal wild drauflos, so dass die Schüsse dem Polizisten in einigem Abstand um die Ohren flogen. Das vertraute Geräusch versetzte Brown einen Schlag, als sei ihm eins der Projektile ins Fleisch gedrungen: Dieser tiefe, dröhnende Knall erinnerte ihn an die Waffe seines Partners und erfüllte ihn mit brennendem Zorn. »Stehen bleiben!«, wiederholte er und erwiderte mehrmals hintereinander das Feuer.
Seine Schüsse verfehlten zwar den Mörder, aber nicht den Wagen. Eine Scheibe zersprang. Das grässliche Geräusch von Metall, das über Metall schrammt, hing in der Luft.
Ferguson schoss noch einmal zurück, kehrte seinem Fahrzeug den Rücken und rannte auf den Wald an der Rückseite der Lichtung zu. Tanny Brown stürzte über die Veranda, stützte sich auf das Geländer und schärfte sich ein, genau zu zielen. Er holte tief Luft und sah, nachdem sich der glühende Zorn ein wenig gelegt hatte, den Rücken des Mörders vor dem Lauf seiner Waffe tanzen. Jetzt, dachte er.
Und drückte ab.
Die Waffe ruckte in seiner Hand. Zu seiner Enttäuschung sah er, dass der Schuss sein Ziel verfehlt und einen Baumstamm getroffen hatte.
Ferguson wirbelte herum, feuerte ein weiteres Mal wild um sich und verschwand mit großen Sätzen im Dunkel des Dschungels.
Als Brown zur Tür hinausstürzte, eilte Shaeffer zu Fergusons Großmutter hinüber. Ohne die Pistole wegzulegen, kniete sie sich neben sie und fasste der Frau behutsam an die Brust wie ein Kind, das etwas berührt, um zu sehen, ob es echt ist. Als sie die Finger zurückzog, klebte Blut daran. Die Sterbende versuchte ein letztes Mal, Luft zu holen, ein gurgelndes Geräusch. Ein kurzes Röcheln, dann war sie tot. Shaeffer starrte auf die Gestalt, die
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