Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
vor ihr auf dem Boden lag, und blickte langsam zu Cowart auf.
»Ich hatte keine Wahl …«, sagte sie.
Bei diesen Worten löste er sich endlich aus der Erstarrung. Er durchquerte das Zimmer, hob die Flinte auf, klappte den Lauf herunter und blickte in zwei leere Kammern.
»Leer«, sagte er.
»Nein«, flüsterte Shaeffer.
Er hielt ihr die Waffe hin.
»Nein«, sagte sie noch einmal. »Verdammt.«
Sie warf dem Reporter einen Blick zu, als erhoffte sie sich von ihm Absolution.
Plötzlich wirkte sie sehr jung.
»Ich hatte keine Wahl«, wiederholte sie.
Von draußen hörten sie Schüsse.
Matthew Cowart duckte sich unwillkürlich. Es kam ihm so vor, als sei es zwischen den Schüssen noch stiller als zuvor. Er schnappte nach Luft und hastete zum Eingang. Andrea Shaeffer stand auf und folgte ihm.
Draußen sah er von hinten Tanny Brown auf das Geländer der Veranda gestützt. Der Polizist lud in fieberhafter Eile seine Pistole.
»Wo ist er?«, fragte Cowart.
Brown fuhr herum. »Die alte Frau?«
»Sie ist tot«, antwortete Shaeffer. »Ich wusste nicht …«
Er fiel ihr ins Wort: »Es war unvermeidlich.«
»Die Schrotflinte war nicht geladen«, bemerkte Cowart.
Tanny Brown starrte ihn an, doch ihm fehlten die Worte, und so reagierte er nur mit einem traurigen Achselzucken. Im selben Moment richtete er sich auf und zeigte Richtung Wald.
»Ich nehme die Verfolgung auf.«
Shaeffer nickte. Sie hatte das Gefühl, von einer unsichtbaren Strömung mitgerissen zu werden. Auch Matthew Cowart nickte stumm.
Tanny Brown drängte an ihnen vorbei, sprang die Stufen hinunter und eilte über den Hof zum Waldrand in etwa dreißig Metern Entfernung. Auf dem offenen Gelände rannte er schneller, und als er zu der kleinen Schneise kam, die Ferguson verschluckt hatte, lief er im leichten Trab hinter dem Flüchtigen her. Auch ohne einen kräfteraubenden Sprint hoffte er so, die verlorene Zeit wettzumachen und den Mörder einzuholen.
Er achtete nicht auf den keuchenden Atem der beiden Weggefährten hinter ihm, sondern starrte in das spärlich belichtete Unterholz und folgte dem schmalen Trampelpfad. Dabei hielt er unablässig nach Robert Earl Ferguson Ausschau, denn es würde nicht allzu lange dauern, bis das gejagte Geschöpf sich mit einem Hinterhalt gegen den Jäger wehrte. Das hier ist auch mein Terrain, redete er sich gut zu. Auch ich bin hier aufgewachsen, mir ist die Gegend hier genauso vertraut wie ihm.
Mit diesen harmlosen Lügen machte er sich Mut und drängte voran.
Bald verdampfte die einsetzende Hitze den letzten frischen Morgentau und zehrte unbarmherzig an ihren Kräften, während sie auf ihrer Verfolgungsjagd in immer dichteres Gestrüpp vordrangen und sich durch verschlungene Zweige und Schlinggewächse kämpfen mussten. Nach wie vor hielten sie sich an den Trampelpfad, und Shaeffer und Cowart nutzten die Schneise, die Tanny Brown auf seiner unbeirrbaren Suche hinterließ. Er trieb sich ohne Hast zu stetem Tempo an und versuchte dabei zu ergründen, wie Ferguson vorgehen würde.
Hier und da fanden sich Indizien dafür, dass der Mörder auf diesem Pfad vorangeeilt war. Tanny Brown entdeckte einen Schuhabdruck in der feuchten Erde, Cowart einen kleinen Fetzen grauen Stoff von Fergusons Sweatshirt, der an einem Dorn hängengeblieben war.
Schweiß und Angst beeinträchtigten ihre Sicht.
Brown erinnerte sich an den Krieg. Ich mach so was nicht zum ersten Mal, dachte er in einer Mischung aus böser Ahnung und Erregung. Shaeffer hatte während ihres Dauerlaufs immer nur das Bild der verblutenden alten Frau in der Hütte vor Augen. In den schrecklichen Anblick mischte sich die vage Erinnerung an Bruce Wilcox, wie ihn das Dickicht des Slums verschlang. Der Tod schien ihr üble Streiche zu spielen. Jedes Mal, wenn sie versuchte, das Richtige zu tun, stellte er ihr ein Bein, und sie schlug der Länge nach zu Boden. Sie wollte etwas ins Reine bringen und fühlte sich stattdessen immer unauflöslicher in Schuld verstrickt.
Cowart glaubte, mit jedem Schritt immer tiefer in einen Alptraum zu geraten. Er hatte sein Notizbuch und seinen Stift verloren, als er in ein Brombeergestrüpp geraten war. Es hatte ihm die Waffen des Reporters aus der Hand gerissen und ihm die Haut so tief aufgeritzt, dass es blutete und pochte. Einen Moment lang stellte er sich ernsthaft die Frage, wozu er sich das alles antat. Die Antwort kam prompt: um den letzten Absatz zu schreiben, um den Artikel abzuschließen.
Er musste in zügigen
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