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Der Symmetrielehrer

Der Symmetrielehrer

Titel: Der Symmetrielehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Bitow
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mehr nicht da. Dummchen! was bist du doch für ein Dummchen, Dika! Ihn zu finden ist unmöglich, er kann nur zurückkommen. Unbedingt kommt er zurück! er fliegt bereits nach Hause … Dika! ich bin es! ich folge dir … wo bist du? Dika war nicht da. Als auf einmal eine Menschenmenge, eine seltene Menschenmenge in der Gegend, wo die Gemsen … und dahinter das Affenhaus … Ich dorthin.
    Wahrscheinlich war sie, das Dummchen, zuallererst zu den Papageien gerannt. Dort war natürlich von Jacquot keine Spur. Vielmehr, dort gab es sie zu Hunderten, aber kein einziger reagierte auf den Ruf, eher alle auf einmal. Zu dieser Zeit rannten schon plötzlich, in Panik, Tierwärter mit Fangnetzen und Hakenstangen durch den Zoo, wie bei einem Brand. Ganz bestimmt fangen sie meinen Jacquot, dachte Dika in ihrer Sinnesverwirrung, und – ihnen nach.
    Ich raste der Unsichtbaren hinterher, im Laufen sieht man die Zukunft rascher. Die Menge trat stumm vor mir auseinander. Da rauchte ein gleichgültiger Arzt im weißen Kittel. Und daneben stand, in Grau, eine Tierwärterin, ein untröstliches Äffchen auf dem Arm. Auf einer Bahre lag … Nein! Niemals! Nicht doch! Sind Sie wahnsinnig … Dika! Wach auf! ich bin es! ich bin es! Ich habe es geschafft!
    Sie war ihnen nachgerannt, denen mit Fangnetzen und Hakenstangen. Niemand hielt sie auf, sei es, dass die in dem Moment andere Sorgen hatten, sei es, dass sie in der Panik Dika für eine von ihnen oder eine Neue hielten, nicht genau hinsahen. Entgegen sauste mit Gekreisch ein Äffchen, ein junger Schimpanse, eigentlich ein Kind. Zahm, verzärtelt. Warum suchte es sich ausgerechnet sie aus?! Sie wollte so sehr ein Kind. Es wollte so sehr gerettet werden. Wer sonst hätte es gerettet? Alle stoben vor ihm auseinander wie vor einem Pestkranken oder Aussätzigen, denn sie wussten, was los war. Dika wusste es nicht. Und wenn sie es gewusst hätte … Wäre sie je zur Seite gesprungen vor einem solchen Murkelchen, das mit solchem Kreischen und Entsetzen geradewegs auf sie zugesaust kam – Hilfe suchte, Rettung! Im allerletzten Moment stieß das Schimpanselchen sich ab und flog wie eine Kanonenkugel in einem Rekordsprung auf Dika zu, sie aber sah nicht, wie, ihm hinterdrein, zu einem unsichtbaren grauen Faden ausgestreckt, da flog eine, ebenfalls durch die Luft … Dika fing wie ein Tormann den lebendigen Ball auf. Schluchzend und greinend umschlang das Äffchen ihren Hals, schmiegte sich an sie, ungeheuer zitternd … Und die Graue, Unsichtbare, flog nicht weit genug und schlug mit einem grauen, nackten Klat
schen zu ihren Füßen auf und – umschlang sie … Während das Äffchen weiterhin nur weinte, nur sich anschmiegte, nur Dika küsste. Und das war die letzte Liebkosung auf dieser Erde.«
    Vanoski verstummte. Über sein Gesicht rollten Tränen. Sie rollten wirklich, so etwas habe ich noch nie gesehen. Gleichmäßig und unablässig. Er wischte sie nicht weg.
    Ich weiß nicht, weshalb ich so wütend auf ihn war. Ich wollte ihm sogar sagen, das hätte ich schon gelesen, und zwar bei ihm. Wollte, aber konnte es dann doch nicht.
    »Und Sie glauben mir nicht mehr …« Vanoski seufzte. »Doch mir ist das gleich. Wenn ich nur möglichst schnell … Sie wartet dort auf mich. Bin schon zu lange hier. Sei's drum. Sie hat hier länger auf mich gewartet. So, Sie wüssten gern, wie alles in Wirklichkeit war? Ich erinnere mich aber nicht, was ich geschrieben habe und was gelebt. Ohnehin habe ich nie begriffen, warum das für sich steht. Ich meine, dass alles so gewesen ist, weil ich diesmal nur erzählt habe, wie ich es erinnere, nichts ersonnen habe. Vielleicht haben Sie recht und ich bin – Schriftsteller. Ein unglückliches Geschöpf! Alle meinen, das schwierigste sei, sich auszudenken, was man schreibt. Nein, das schwierigste ist, sich auszudenken, wer schreibt! Wen immer wir lesen und lieben, sie alle haben es verstanden, sich den auszudenken, der für sie schrieb. Und wer sind dann sie selbst, neben dem, der schreibt? Furchtbar, sich diese Einsamkeit vorzustellen. Glücklich sind nur die anderen Menschen, sie arbeiten, lieben, gebären, sterben. Diese jedoch können nicht mal sterben. Sind nicht dazu imstande. Wie Schauspieler spielen sie ihr Leben lang nur eine Rolle: sich selbst. Für die anderen. Ihr Leben gehört ihnen nicht. Sie sind Sklaven der Menschen, Sklaven derer, die sie lieben. Sie selbst verstehen nicht zu lieben, wie Mönche nicht zu glauben verstehen. Wenn man

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