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Der Symmetrielehrer

Der Symmetrielehrer

Titel: Der Symmetrielehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Bitow
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Lachen. Also, nicht mehr ich lachte über mich und sie über mich – WIR lachten! Gemeinsam.
    Nein, sie hieß nicht Helena. Das wäre auch zuviel gewesen. Eher hätte sie Kalypso heißen müssen. Pardon, aber wie hieß sie bloß? Fällt mir das wirklich nicht mehr ein? Sie ließ sich von der Chefin freigeben, und wir fuhren ins Grüne. Ich glaube, wir redeten überhaupt nicht – wir waren fröhlich wie Kinder. Wir badeten und rannten nackt einander nach, wie im Paradies, wie Adam und Eva. Ja! Ich glaube, sie hieß Eva. Genau. Mag sein …
    Mit niemandem war mir je so leicht zumute. Und wird es auch nie sein (das weiß ich jetzt). Wir hatten keinen Pfennig. Allerdings fristeten wir unser Leben ohne Mühe, uns unterhielten ihre zahlreichen Verehrer. Nein, wo denken Sie hin! ich wurde nicht zum Zuhälter. Es war vielleicht nicht sehr schön, aber, glauben Sie mir, absolut sauber. In Italien gibt es im Slang sogar ein Wort dafür, dynamo [ 3 ] . An dessen Kurbel drehten wir. Sie ließ sich auf ein Rendezvous ein, sagte, sie hätte gern was zu trinken und sei hungrig wie ein Wolf; der Verehrer kam mit einem Auto voller Wein und Leckerbissen angefahren; sie deckte den Tisch, zündete Kerzen an – da tauchte ich auf; sie wurde furchtbar verlegen, nahm mich beiseite und flüsterte schuldbewusst mit mir (der Verehrer wusste nicht, worüber), dann nahm sie den Verehrer beiseite und flüsterte geheimnisvoll mit ihm (ich wusste, worüber: ein Bürschchen, Milchbubi, schrecklich eifersüchtig, italienisches Blut! … und das überzeugendste Argument: hat versprochen, sie zu heiraten, der Verehrer hatte das nicht). Und wir setzten uns gemeinsam zu Tisch. Niemand ist so zuvorkommend wie der nächste Mann zum vorhergegangenen, wie der betrügende zum betrogenen, dies zu beobachten war sehr komisch. Ich schmollte erst und gab mich verdrossen, hielt das Spiel aber nicht lange durch, zu groß war mein Hunger. Sie hätten sehen müssen, wie zuvorkommend ich jeweils bedient wurde, es gibt keinen besseren Kellner als einen glücklichen Nebenbuhler! Macht auch noch Konversation mit Ihnen, um die Peinlichkeit zu übertünchen. Je mehr ich schweige (ich esse ja!), desto mehr redet er, sucht mich sogar indirekt zu überzeugen, dass ich kein Hahnrei sei. Oh, ein allerliebstes Vaudeville! Die Wortwahl überaus sorgfältig, regelrecht ein Messertanz. Ich esse mich satt und werde immer finsterer; der Verehrer ergreift die erste beste Gelegenheit, um sich zu verziehen, wobei er in der Regel das Mitgebrachte nicht mal gekostet hat; und wir stürzen einander in die Arme. Ich muss sagen, die Leute waren sympathisch, ich war über
haupt nicht auf Evas Vergangenheit eifersüchtig (komischerweise nach derselben Logik wie meine Nebenbuhler), und auch sie schienen uns als Paar nach Gebühr anzuerkennen. Bloß einer kam uns auf die Schliche, mit ihm freundete ich mich sogar an, so sehr gefielen wir einander. Dick, glatzköpfig und lebhaft, trank er viel und schwitzte ständig; er hatte einen sonderbaren Beruf, Conferencier … stets auf Reisen … unablässig prahlte er und verlangte überhaupt nicht, dass man ihm glaubte, kein schlechter Mensch … bloß auf einem beharrte er, nämlich dass er ein enger Freund von Charly Chaplin sei, und zum Beweis durchwühlte er Unmengen abgegriffener Quittungen und Papiere und konnte einfach die Visitenkarte nicht finden; in diesem Fall glaubten wir ihm nicht, und er war aufrichtig betrübt.
    Ich weiß nicht, wie viele Tage vorübergingen, wahrscheinlich ebenso viele wie Verehrer. Begonnen hatten wir an einem Sonntag, stimmt. Ob nun die Verehrer seltener oder die Tage länger wurden. Jedenfalls, plötzlich träumte ich von dem Roman. Seinem neuen Schluss. Einer Variante. Dass mein Held, quasi bevor er sein ›Ding dreht‹, noch seine Schulden zurückzahlt und Belege quittiert, sich dann sorgfältig wäscht, rasiert, ankleidet, seine Granaten festbindet … Also, dass er unmittelbar vor dem Bankett noch eine Schuld tilgt, er nimmt Abschied vom einzigen Menschen auf Erden, dem er nicht gleichgültig ist, versteht sich, einer ihm innig zugetanen Frau (Sie ahnen gewiss, dass mein einsamer Rächer, der sich selbst gefühllos vorkommt, insgeheim sehr sentimental ist, was sich im übrigen nicht widerspricht). Er spielt ihr die Szene eines Abschieds für immer vor, spricht von seiner Herzlosigkeit, dass er kein Recht habe usw., und besiegt von der Ehrlichkeit und Überzeugungskraft seiner Argumente, glaubt sie ihm

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