Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
gehorchte, kam Espy Martinez der Gedanke, dass dieser Mann niemals bitte sagte, sondern nur befahl. Wenig später kehrte die Tochter mit drei metallenen Klappstühlen zurück, die sie neben dem Bett aufstellte. Martinez setzte sich, bat die Tochter mit einem stummen Nicken zu übersetzen und sagte: »Mr.Wilmschmidt, ich ermittle in mehreren Mordfällen; sie wurden von einem Mann verübt, der früher einmal hier in Berlin als der Schattenmann bekannt war. Wir kennen seine gegenwärtige Identität nicht, deshalb suchen wir nach jemandem, der ihn früher gekannt hat und von dem wir etwas über ihn erfahren können.«
    Die Tochter übersetzte pflichtbewusst.
    Der alte Mann nickte. »Dann tötet er also immer noch, bis heute«, erwiderte er.
    »Ja«, bestätigte Martinez, nachdem sie die Übersetzung gehört hatte.
    »Das überrascht mich nicht. Er hat sein Handwerk gut gelernt.«
    »Von wem?«
    Der alte Mann zögerte, dann antwortete er mit einem Lächeln: »Von mir.«
    Es herrschte kurzes Schweigen, die Tochter atmete heftig ein und sagte aufgeregt zu ihrem Vater: »Du solltest nicht davon sprechen! Dabei kommt nichts Gutes raus! Du hattest deine Befehle! Du hast nur dasselbe getan wie die anderen auch! Wieso willst du diesen Leuten helfen? Dabei kommt nichts Gutes heraus!«, flehte sie ihn an.
    Espy Martinez warf Timothy Schultz einen Seitenblick zu, doch der wartete gespannt auf die Antwort des alten Mannes.
    »Meinst du, nur weil ich getan habe, was man mir befohlen hat, wäre ich fein raus?«
    Die Tochter schüttelte stumm den Kopf.
    Er wandte sich an Espy Martinez: »Meine Tochter schämt sich für die Vergangenheit, und sie macht ihr Angst. Sie sorgt sich, was die Nachbarn denken, sie sorgt sich, was ihre Arbeitgeber bei der Bank denken, sie sorgt sich, was irgendwer irgendwo denken könnte. Mir bleibt nicht mehr so viel Zeit, als dass ich mir überhaupt noch Sorgen machen könnte! Was geschehen ist, das ist geschehen. Es gab ein gewaltiges Beben, und die Welt hat sich gegen uns erhoben! Also wurden wir besiegt, aber die Ideen, die sind deshalb nicht gestorben, nicht wahr? Ob sie nun richtig oder falsch waren, sie sind immer noch lebendig. Sie als Amerikanerin sollten das besser als irgendjemand anders nachvollziehen können. Verstehen Sie das, Miss Martinez?«
    »Selbstverständlich«, antwortete sie, nachdem die Tochter dies übersetzt hatte.
    »Nichts verstehen Sie!«
    Der alte Mann schnaubte und wurde mit einer heftigen Hustenattacke bestraft.
    »Das können Sie nicht verstehen«, fuhr er in einem knurrenden Ton und mit einem schiefen Grinsen fort. »Ich war Polizist! Ich habe die Gesetze nicht gemacht, ich habe ihnen Geltung verschafft. Als sich die Gesetze änderten, habe ich den neuen Gesetzen Geltung verschafft. Würden sie sich morgen wieder ändern, würde ich mich ebenfalls ändern.«
    Espy Martinez antwortete nicht, sondern stellte nur innerlich fest, dass er sich bereits widersprochen hatte. Bei einem erneuten Hustenanfall griff er zur Sauerstoffmaske. Als er die Flasche aufdrehte, gab es ein zischendes Geräusch, dann nahm er mehrere Atemzüge.
    Über die Maske hinweg sah er Espy Martinez an.
    »Der Schattenmann lebt also noch und bringt noch immer den Tod. Ich hab’s gewusst. Auch ohne dass Sie es mir heute mitteilen, habe ich es gewusst. Das weiß ich schon seit Jahren. Ich war aus unserer Gruppe der Letzte, der ihn gesehen hat, aber ich wusste damals schon, dass er nicht sterben würde. Werden Sie ihn töten, Miss Martinez?«
    »Nein. Ich will ihn nur verhaften und vor Gericht stellen …«
    Der alte Mann schüttelte heftig den Kopf. »Für den Schattenmann gibt es keine Gesetze, Miss Martinez. Für mich ja. Aber für ihn, nein. Nochmals, Miss Martinez: Werden Sie ihn töten?«
    »Nein, der Staat.«
    Der alte Mann lachte. Trocken und spröde. »So war es auch bei uns.«
    »Es ist nicht dasselbe.«
    Wieder lachte er über sie. »Natürlich nicht.«
    Sie sah den alten Mann schweigend an. »Sie haben gesagt, Sie würden mir helfen.«
    »Nein. Ich habe gesagt, ich würde Ihnen vom Schattenmann erzählen. All die Jahre habe ich gewartet, dass jemand kommt und mich nach ihm fragt. Ich wusste, ich würde es noch erleben. Manchmal dachte ich, es würden Juden sein, vielleicht diejenigen, die immer noch hinter den Alten her sind. Dann wieder habe ich spekuliert, es könnte, so wie ich, jemand von der Polizei sein. Vielleicht auch ein Journalist oder ein Student oder Forscher, jemand, der diesen großen

Weitere Kostenlose Bücher