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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Winter plötzlich nur noch eine ferne Erinnerung zu sein. Falls irgendwo Sirenen heulten, dann weit weg.
    Abgesehen von dem Phantom vor ihm, das auf dem breiten Ocean Drive floh und die spärlichen Lichter der eben noch überfüllten Restaurants und Bars hinter sich ließ, war Simon Winter auf seinem Lauf allein.
    Er atmete gierig ein und horchte auf das Meer.
    Es war zu seiner Linken parallel zu dem eingeschlagenen Kurs dem Schattenmann dicht auf den Fersen. Er hörte, wie am Strand die Wellen ihren ewig gleichen Rhythmus schlugen.
    Er ließ den letzten Nachtclub hinter sich und hatte nun zu seiner Rechten die Phalanx der riesigen, monumentalen Häuserblocks, die den Blick von der Straße auf Strand und Meer verstellten. Er spürte die ersten Seitenstiche, die er ignorierte, während er auf den Rhythmus seiner Sohlen lauschte und dabei den Mann vor sich fixierte, der ebenfalls in ein stetiges, doch schnelles Lauftempo gewechselt war.
    Ich werde ihn in Grund und Boden rennen, schwor sich Winter.
    Ich werde ihn jagen, bis er nach Luft schnappt.
    Und dann habe ich ihn, weil ich stärker bin als er.
    Er biss sich auf die Lippen und ließ die Luft in einem tiefen Seufzer aus den Lungen entweichen.
    Andere kleinere Schmerzen versuchten sich in sein Bewusstsein zu drängen – eine Blase, die an seinem Fuß geplatzt war, ein dumpfer Schmerz im Bein –, doch er ignorierte sie für eine Weile, dann versuchte er, seinen alten Gliedern gut zuzureden. Wenn ihr mir keine Krämpfe beschert, Wadenmuskeln, dann bade ich euch ausgiebig in warmem Wasser, das wird euch guttun. Ich verspreche euch: Gönnt mir dieses Rennen, und ihr werdet reichlich belohnt, aber bitte keine Krämpfe! Und während er das stumm zu sich sagte, schienen die Schmerzen nachzulassen, und er konnte sogar noch eine Spur schneller laufen. Er sah, dass der Schattenmann nicht länger dem Licht auswich, sondern geradeaus lief und einfach nur versuchte, seinem Verfolger zu entwischen. Das ermutigte Winter und verlieh ihm neue Kräfte. Er dachte: Endlich lernst du vielleicht nach so vielen Jahren auch einmal die Panik kennen, die einen packt, wenn ein gnadenloser Gegner einem auf den Fersen ist. Jetzt bekommst du einen gewissen Geschmack davon, wie es anderen mit dir ergangen ist. Es ist schwer, nicht wahr, wenn man sich verstecken will, aber keine Zeit hat und der Verfolger mit jedem Schritt näher kommt?
    Jetzt weißt du zum ersten Mal, was das heißt.
    Und ich hoffe, es tut weh.
    Er rannte weiter und ließ die ganze Welt von sich abgleiten, bis er nur noch den Rücken des Schattenmannes sah, der auf seiner Flucht zum äußersten Ende von Miami Beach Block um Block hinter sich ließ.
    Simon Winter registrierte, wie der Verfolgte sich umsah und dann schneller lief. Er erkannte auch, was dahintersteckte: der Versuch, Abstand zu gewinnen und dann auszuweichen. Deshalb war Winter darauf gefasst, als der Schattenmann wie ein Sportler auf dem Spielfeld am Ende eines Blocks blitzschnell in einen Gehweg abbog. Winter legte einen Sprint ein, um seinem Gegner nicht eine Sekunde Zeit zu geben, in der er sich in irgendeinen finsteren Winkel verstecken konnte. Der Schattenmann musste gespürt haben, dass sein Verfolger aufgeholt hatte, denn er zögerte keinen Moment. Vielmehr rannte er den Weg hinunter und kletterte mühelos über einen Zaun, der Strand und Meer abgrenzte. Winter hatte damit gerechnet. Der Maschendrahtzaun war fast zweieinhalb Meter hoch und diente dazu, die Leute, die am Strand entlangliefen, vom Grundstück des Wohngebäudes fernzuhalten. Er versuchte, hinüberzuklettern, indem er sich an den Metallgliedern festhielt und auf die andere Seite hievte. Er grätschte ein Bein, doch eins der scharfen Drahtenden verfing sich in seiner Hose, so dass er für einen Moment den Halt verlor und kopfüber taumelte.
    Eine widerwärtige Sekunde lang schwebte er in der Luft, dann schlug er hart auf den festen Sandboden dahinter auf.
    Der Schmerz schoss ihm durch den ganzen Körper.
    Rot glühend zuckte er ihm hinter den Lidern, und Winter fühlte sich wie ein Boxer, der einen Kinnhaken eingesteckt hat und nicht weiß, ob er noch steht oder schon am Boden liegt.
    Ihm blieb die Luft weg, und für einen Moment drehte sich ihm alles im Kopf. Er biss knirschend auf Sand, als er sich auf ein Knie hochrappelte und sich schüttelte, um wieder klar denken zu können.
    Schwankend spähte er den Strand entlang. Im trüben Licht, das vom Wohnblock herüberdrang, sah er die Gestalt

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