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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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wegen der Hitze nicht bei der Sache zu sein.
    Immerhin war es gut möglich, dass
er
da war.
    Irgendwo da drüben, so gerade eben außer Sichtweite, im Schutz der Bäume. Oder mit gramgesenktem Haupt mitten unter den Trauergästen. Falls er auf der Jagd war, zog es ihn hierher – mitten in die Schar von Sophies alten Freunden.
    Schließlich weiß er nicht, fügte Winter in Gedanken hinzu, dass jemand nach ihm sucht.
    Im selben Moment beschlichen ihn Zweifel: falls
er
überhaupt existiert.
    Neben ihm lauschten Mr. Finkel und die Kadoshs hingebungsvoll den Worten des Rabbi. Mrs.Kadosh hielt ein weißes Leinentaschentuch in der Hand, mit dem sie sich abwechselnd links und rechts die Augenwinkel trocken tupfte und den Schweiß von der Braue wischte. Ihr Mann war damit beschäftigt, ein gedrucktes Programm zusammenzurollen und wieder glatt zu streichen. Dann fächelte er sich mit dem Papier Luft zu, um sich – vergeblich – ein wenig Kühlung zu verschaffen.
    Die anderen Bewohner des Sunshine Arms saßen quer verteilt in der Trauergemeinde. Winter sah, dass Mr.Gonzalez, der Vermieter, die gesamte Grabrede hindurch starr zu Boden blickte. Seine Tochter hatte ihren Vater zur Bestattung begleitet. Sie war so groß wie er und trug ein schmales, schwarzes Kleid, das bei einer Operngala ebenso angemessen gewesen wäre wie zu dem gegebenen Anlass.
    Simon Winter seufzte. Ein halbes Jahr lang hatte Miss Gonzalez die leere Wohnung neben Sophie Millstein benutzt, um sie mit einer Reihe von Liebhabern zu teilen. Da sie es gewöhnlich versäumte, die Gardinen zu schließen, gab sie Winter Gelegenheit, sie zu beobachten. Er hegte sogar den Verdacht, dass sie sich seiner Blicke bewusst gewesen war und ihm die Einblicke in voller Absicht als Gefälligkeit gewährt hatte. Er schüttelte den Kopf. Als sie in exklusivere Apartments an der Brickell Avenue weiterzog, verlor das Sunshine Arms mit ihr einen beträchtlichen Teil seiner Anziehungskraft.
    Bevor sie neben ihrem Vater Platz nahm, hatte sie über die Schulter geschaut, so dass sich für einen kurzen Moment ihre Blicke trafen. Mit einem zarten, traurigen Lächeln und einem kaum merklichen Nicken schien sie ihn daran erinnern zu wollen, was er an ihr verloren hatte, und darüber musste Simon Winter bei allem feierlichen Ernst und trotz der trüben Gedanken über seine ermordete Nachbarin innerlich herzlich lachen.
    »Und so empfinden wir heute alle schmerzlich den Verlust dieser Frau …«, nahm die Rede des Rabbi den vorhersehbaren Verlauf.
    Er riss sich von Mr.Gonzalez’ Tochter los und ließ den Blick noch einmal über die Reihen der Trauernden schweifen. Falls
er
hier ist, dachte Winter, dann entgeht ihm nichts. Er sucht die Gesichter ab und durchforstet dabei seine eigenen Erinnerungen.
    Winter konzentrierte sich auf einen Mann zu seiner Rechten. Der Mann starrte den Rabbi an. Den alten Detective erfasste eine Woge der Erregung. Wieso bist du so neugierig?, fragte er innerlich.
    Doch im nächsten Moment sah er, wie derselbe Mann sich zu der älteren Frau umdrehte, die neben ihm saß. Die Frau berührte ihn am Arm.
    Nein, dachte Winter. Du bist allein. Bist du nicht immer allein?
    Falls es dich gibt.
    Um besser nachdenken zu können, neigte er ein wenig das Kinn zur Brust. Er hatte Irving Silver, Frieda Kroner und Rabbi Rubinstein geraten, nicht zur Beerdigung zu kommen. Er wollte dem Mann, den sie fürchteten, nicht den Vorteil verschaffen, sie zu sehen, bevor er sich über seine eigene Strategie im Klaren war. Sie hatten protestiert. Er hatte darauf bestanden.
    Er sah sich die Menge noch einmal an und achtete besonders auf unbekannte Gesichter, doch es waren zu viele. Sophie Millstein hatte zu vielen Frauengruppen, Bridge-Clubs, Synagogenräten angehört. Fast hundert alte Leute rutschten auf ihren Stahlstühlen herum.
    Die Worte des Rabbi schienen in der Hitze zu flirren.
    »So viel durchzumachen und am Lebensabend eines gewaltsamen Todes zu sterben, ist eine Tragödie, die einem das Herz bricht …«
    Winter sah sich nach Detective Robinson und der jungen Frau von der Staatsanwaltschaft um, konnte sie jedoch nirgends entdecken. Er vermutete allerdings, dass sich irgendein Vertreter der Kripo Miami Beach unter die Gäste gemischt hatte. Das gehörte in seinen aktiven Jahren zu den üblichen Verfahrensweisen bei Fällen ohne identifizierten Täter – selbst wenn der Hauptverdächtige einer anderen Altersgruppe und Ethnie angehörte. Man wusste nie, wen die Neugier

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