Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
hintrieb. Er schätzte, dass Robinson einen Untergebenen dazu verdonnert hatte; seine eigene Hautfarbe hätte es ihm nicht erlaubt, unerkannt die Menschen unter dem Zeltdach zu mustern.
    Natürlich konnte es sehr gut sein, dass der Stellvertreter des Detective nach dem gänzlich Falschen suchte.
    Simon Winter atmete langsam aus und zerknüllte das Programm in der geballten Faust. Er kämpfte mit einer unbändigen Wut und Frustration, die ihm in den Adern pochte.
    Ich glaube erst mal gar nichts, schärfte er sich ein.
    Vorerst habe ich nichts weiter als ein paar seltsame Zufälle und ein Trio verängstigter alter Leute sowie einen Alptraum aus einer anderen Ära.
    Wieder blickte er in den Himmel. Die Wut verwandelte sich in Schuldgefühle. Weißt du wirklich noch, wie es geht? Wie man einem Anfangsverdacht so unerbittlich auf den Grund geht, dass man am Ende harte, unabweisliche Fakten hat?
    Er biss die Zähne zusammen.
    Benimm dich endlich so, wie du mal warst. Du willst, dass sie dich wieder mit Detective anreden? Dann verhalte dich auch wie einer. Stelle Fragen. Finde die Antworten dazu.
    In der ersten Reihe, nicht weit vom Grab, zappelte ein Kind von vier oder fünf Jahren und versuchte, die Stimme des Rabbi zu übertönen, wurde aber von der Mutter augenblicklich zum Schweigen gebracht. Der Geistliche legte eine kurze Pause ein, sah den Jungen mit einem Lächeln an und fuhr fort:
    »Wer also war diese Sophie Millstein, die anderen so viel gegeben und so viel in ihrem Leben erreicht hat? Ich habe das Gefühl, ich sollte mehr über diese bemerkenswerte Frau wissen und herausbekommen, was ich – so wie ihr Sohn und ihre Schwiegertochter und ihre geliebten Enkelkinder – aus Lektionen ihres Lebens lernen kann …«
    Simon Winter sah von seinem Platz aus nur Murray Millsteins Rücken. Doch während der Rabbi sprach, sah er, wie der Anwalt seiner Frau den Arm um die Schulter legte und mit der Hand noch seinen Sohn erreichte, auf dem er sie ruhen ließ. Der Rabbi setzte seine Grabrede fort, und indem er mühelos ins Hebräische wechselte, sprach er das Kaddisch über dem Sarg, doch Winter hörte die Worte nicht mehr und spürte nicht mehr die drückende Hitze. Er sah nur, wie die Hand des jungen Vaters auf der Schulter seines Sohnes lag und der Sohn ganz sacht den Kopf zur Hand neigte und seine Wange daranschmiegte, so dass ihm in diesem einen Moment all die schrecklichen Kinderängste vor dem Sterben und dem Tod von der festen Berührung seines Vaters genommen wurden.
     
    Winter bildete in der langen Kondolenzreihe, die sich nach der Feier bildete, fast das Schlusslicht. Er wartete einen Augenblick ab, in dem ihm mehr als nur eine Sekunde blieb, denn er wollte mehr tun als nur ein paar Worte des Trostes zu sprechen und zu gehen. Als die Menschentraube sich allmählich zerstreute und er sah, wie der junge Anwalt nach seiner Frau und den Kindern Ausschau hielt, trat er vor.
    »Mr. Millstein, mein Name ist Simon Winter. Ich war ein Nachbar Ihrer Mutter …«
    »Natürlich, Mr.Winter. Meine Mutter hat oft von Ihnen gesprochen.«
    »Mein aufrichtiges Beileid für Ihren Verlust …«
    »Danke.«
    »Wissen Sie vielleicht, ob die Polizei …«
    »Die Leute von der Kripo sagen, sie machen Fortschritte und sie würden mich auf dem Laufenden halten. Sie waren auch mal bei der Polizei, nicht wahr? Ich meine mich zu erinnern, dass meine Mutter …«
    »Ja. Hier in Miami. Ich war Detective.«
    »Meine Mutter hielt viel von Ihnen. Sie hat von allen ihren Nachbarn nur gut gesprochen. Womit waren Sie befasst?«
    »Mord.«
    Murray Millstein schwieg, als wöge er die einsilbige Antwort ab. Er war klein gewachsen, fast schmächtig, doch drahtig wie ein Langstreckenläufer, und er strahlte eine wache Aufmerksamkeit aus, die von einer Liebe zum Detail zu zeugen schien. Die Tränen, die Murray Millstein über den Mord an seiner Mutter weinte, dachte der alte Detective, würden im Verborgenen fließen. Der Anwalt musterte Winter eingehend, bevor er ruhig antwortete.
    »Die Kripo Miami Beach scheint recht kompetent zu sein. Ist das auch Ihr Eindruck?«
    »Ja, ganz bestimmt. Es ist nur – also, könnte ich Ihnen irgendwo ungestört ein paar Fragen stellen? Nicht gerade hier?«
    Winter deutete mit der Hand auf die letzten Gäste, doch in dem Moment sah er, wie der Rabbi und der Bestattungsunternehmer zu ihnen herüberkamen.
    »Wir werden heute auf Long Island Schiwa sitzen. Wir fliegen noch heute zurück. Gibt es etwas Bestimmtes,

Weitere Kostenlose Bücher