Der Täter / Psychothriller
sie, ihre Nervosität zu kaschieren, indem sie einen gestrengen Ton wählte. »Er wird von mir wissen wollen, wo wir stehen. Also: Wo stehen wir, Detective?«
Robinson wollte etwas sagen, überlegte es sich jedoch und fragte: »Machen die Ihnen Dampf mit diesem Fall?«
»Nein«, erwiderte sie. »Noch nicht. Aber ich glaube, ziemlich bald.«
Robinson nickte, auch wenn sie es nicht sehen konnte. »Hatte ich mir schon gedacht. Nun, ich habe heute Morgen den vorläufigen Autopsiebericht und den von der Spurensicherung hereinbekommen. Danach wissen wir so viel: Todesursache: manuelle Strangulation. Die Quetschung am Kehlkopf und im Bereich der Halsschlagader lässt darauf schließen, dass der Abstand zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger des Mörders vierzehn einhalb Zentimeter beträgt. Es gibt keinerlei Hinweise auf sexuelle Übergriffe. Der toxikologische Befund weist Spuren von Dolmane auf. Das ist ein häufig verschriebenes Schlafmittel. Ein paar Zeichen deuten darauf hin, dass sie ein wenig geschlagen wurde, aber ich glaube, das ist nur in den ersten Sekunden passiert. Die Schlaftabletten müssen ziemlich stark gewirkt haben, so dass sie wahrscheinlich erst zu sich kam, als der Kerl sie bereits erwürgte. Nicht viel Zeit zur Gegenwehr. Es gab keine nennenswerten Abwehrverletzungen an ihren Händen und Armen …«
Robinson ging die Einzelheiten der letzten Sekunden in Sophie Millsteins Leben in geübtem, routiniertem Ton durch. Espy Martinez hörte zu und versuchte, die knappen, offiziellen Berichte mit der entsetzlichen realen Erfahrung in Verbindung zu bringen, gab jedoch sehr schnell auf.
»Ehrlich gesagt, macht mir das zu schaffen«, gestand Robinson ruhig.
»Wie bitte?«
»Na ja, der Kerl bricht ein, ermordet eine Frau im Schlaf, räumt in null Komma nichts die Wohnung aus und flüchtet. Sehen Sie den Haken?«
»Nein.«
»Wieso bringt er eine schlafende Frau um? Wieso greift er sich nicht, was er will so leise wie möglich, und sucht das Weite?«
»Sie ist aufgewacht.«
»Ja, wahrscheinlich. Aber hätte sie dann nicht richtig laut geschrien? Oder sich deutlich gewehrt?«
»Die Nachbarn haben gesagt, sie hätten was gehört.«
»Schon, aber nicht wirklich laut. Eher so was wie einen kurzen Aufschrei. Und was ist mit der Katze? Mr.Boots? Wieso bringt er die verfluchte Katze um?«
»Vielleicht hat die Katze Lärm gemacht?«
»Eine Katze? Vielleicht Hasso oder Benno oder so ein alberner Zwergpudel, so was in der Art, aber eine Katze? Ich bitte Sie. Das blöde Tier würde mit erhobenem Schwanz durch die Gartentür stolzieren und sich nie wieder blicken lassen.«
»Also, worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Espy Martinez ungeduldig.
»Nichts. Lässt mir nur keine Ruhe.«
Sie erinnerte sich an den erstarrten Kadaver der Katze mit den hervortretenden Augen und den gefletschten Zähnen. Sie schauderte bei dem bloßen Gedanken. Das fand ich auch merkwürdig, räumte sie innerlich ein, aber was besagt das schon? Sie ignorierte ihre Gefühle und entgegnete in angestrengt kaltschnäuzigem Ton: »Meinetwegen. Und?«
»Und nichts«, erwiderte der Detective.
»Dann machen Sie weiter.«
Robinson seufzte, als er sich wieder dem Stapel Berichte auf seinem Schreibtisch zuwandte. Manchmal hatte er das Gefühl, dass er den größten Teil der letzten Jahre mit dem Lesen oder Schreiben von Berichten vergeudet hatte. »Na schön, schauen wir mal. Ach so, es gab eine postmortale Schnittwunde am Hals des Opfers.«
»Ja und?«
»Also, in Sophies Viertel hat es in den letzten paar Wochen eine Reihe von Einbrüchen gegeben. Die Kollegen vom Raubdezernat schicken ein paar Fallakten rüber. Vielleicht kann ich den Täter damit in Verbindung bringen.«
»Klingt einleuchtend. Was noch?«
»Was noch?«
Espy Martinez sah auf die Uhr und wusste, dass ihr Boss bereits nach ihr suchen würde. »Detective …«
»Nennen Sie mich Walter. Wie die meisten Ihrer Kollegen.«
»Ich muss mit Lasser reden.«
»Falls Sie von mir hören wollen, ob ich optimistisch bin – dann lautet die Antwort nein. Bei dieser Art von Fällen bin ich das nie, Miss Martinez. Statistisch gesehen, na ja, auf Bundesebene lösen wir einen von drei. Auf lokaler Ebene läuft es eher noch ein bisschen bescheidener. Aber ich versuch’s. Ihr Boss kennt die Trefferquote. Lassen Sie sich von ihm nicht kirre machen.«
»In Ordnung, Walter, ich werd’s versuchen …« Sie lachte, wenn auch sehr verhalten. »… aber es ist das Blut, das ihm von den
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