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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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dem, was ihr widerfahren ist. Es war immer da. Immer.«
    Murray Millstein schüttelte den Kopf.
    »Ich bin mit Geistern groß geworden«, erklärte er ausdruckslos. »Sechs Millionen Geistern.«
    »Aber sie hat über ihre Erlebnisse nicht gesprochen …«
    »Jedenfalls nicht mit mir. Allerdings hat sie ein Video aufgenommen. Für die Bibliothek des Holocaust Center hier in Miami Beach. Ich hab es nicht gesehen, aber sie hat es gemacht.«
    »Woher …«
    »Ich hab’s erfahren, weil die mir ein Spendengesuch geschickt haben. Für den guten Zweck. Sie wollten einen Beitrag. Ich habe ihnen Geld geschickt. Ich hab meine Mutter angerufen und ihr gesagt, ich wollte es sehen, und wir haben uns gestritten. Wahrscheinlich das erste Mal seit Jahren. Sie hat mir verboten, es zu ihren Lebzeiten zu sehen.«
    »Werden Sie es sich jetzt anschauen?«
    »Nein. Ja. Keine Ahnung.«
    Murray Millstein stand auf. Der Mann im beigefarbenen Anzug kam aus der Wohnung. »Wie viel?«, fragte der Anwalt.
    »Nach Long Island? Alles in allem? Zweitausendzweihundert, verpackt und gekennzeichnet. Das ist unser Sonderumzugsservice«, erwiderte der Mann.
    »Na schön«, meinte Murray Millstein. »Muss zweifellos was Besonderes sein.« Er reichte dem Mann den Schlüssel. »Es kann ein paar Wochen dauern, bis die Polizei die Wohnung freigibt …«
    »Keine Sorge, Mr.Millstein. Ein Anruf genügt, und wir sind zur Stelle. Ich schicke Ihnen den Vertrag.«
    Der junge Mann nickte und sah auf die Uhr. »Ich muss los«, sagte er zu Winter. »Gehen
Sie

    »Was?«
    »Gehen Sie und sehen Sie sich das Video an, Mr.Winter. Und erzählen Sie mir, was drauf ist.«
    Murray Millstein wandte sich um und machte ein paar Schritte über den Hof, dann drehte er sich noch einmal halb zurück und sah Simon Winter über die Schulter an. »Ich hab Deutsch gewählt, wissen Sie.«
    »Wie bitte?«
    »An der Highschool. Ich hab Deutsch gelernt. Wir mussten eine Fremdsprache wählen, und ich hab Deutsch genommen. Sie hat das gehasst. Hat fast ein ganzes Schuljahr kaum mit mir gesprochen. Sie hat nicht mal ein deutsches Lexikon im Haus geduldet. Ich musste immer in der Schule lernen. Ich bekam eine Eins.«
    Winter wusste nicht, was er sagen sollte. Er dachte nur, dass sich in der Welt manchmal ein schreckliches Ausmaß an Schmerz und Verletzungen zusammenballte und in einer ungerechten Verteilung auf einzelne Schicksale häufte.
    Murray Millstein schien einen Moment angestrengt nachzudenken, bevor er hinzufügte: »Wissen Sie, was es bedeutet?«
    »Was?« Simon Winter sah beinahe erschrocken auf, als hätte ein starker Wirbelwind alle seine Gedanken durcheinandergefegt, und die Stimme des jüngeren Mannes brächte ihn auf den Boden der Tatsachen zurück.
    »Der Schattenmann«, sagte Murray Millstein und zuckte mit den Achseln. »Wissen Sie, was das heißt?«
    Simon Winter schüttelte den Kopf. Es war ihm nicht in den Sinn gekommen, nach der Wortbedeutung zu fragen.
    »Es setzt sich zusammen aus Schatten und Mann.« Er schwieg und fügte hinzu: »Ich frage mich, was sie damit meinte?«
    Doch Murray Millstein wartete keine Antwort ab. Simon Winter sah dem jungen Anwalt hinterher, der zügig durch den Innenhof und am Posaunenengel vorbeilief. Der Engel musste wohl an diesem Tag, so dachte der alte Detective, ein Klagelied anstimmen.

[home]
7
    Dringlichkeit
    A ls Espy Martinez am Morgen nach Sophie Millsteins Beerdigung im Büro der Staatsanwaltschaft von Dade County eintraf, warteten dort zwei Nachrichten auf sie: eine stammte von Walter Robinson, und die andere war eine Aufforderung, sich beim stellvertretenden Oberstaatsanwalt für Tötungsdelikte zu melden.
    Sie wusste sofort, dass er von ihr wissen wollte, wie die Aufklärung des Falls vorankam, und so missachtete sie den mit roter Tinte angefügten Hinweis UNVERZÜGLICH , um durch das Labyrinth der Bürokabinen erst einmal zu ihrer eigenen zu hasten und das Morddezernat von Miami Beach anzurufen.
    Es dauerte nur kurz, bis sich Walter Robinson meldete.
    »Miss Martinez«, sagte er, »gut, dass Sie anrufen.«
    »Detective, ich muss zum stellvertretenden Oberstaatsanwalt, um ihm einen Lagebericht zum Mordfall Millstein zu geben. Was haben Sie für mich?«
    »Nun, zunächst mal den guten Rat, sich keine Sorgen um Abe Lasser zu machen. Er mag wie Dracula aussehen, aber er ist nicht so schlimm, wie er tut. Besonders bei Tage.«
    Espy Martinez hätte gerne über die Beschreibung ihres Chefs gegrinst, doch stattdessen versuchte

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