Der Täter / Psychothriller
Fängen tropft, das mich beunruhigt. Also sagen Sie mir bitte irgendetwas, das mir hilft, den Kerl, der Sophie Millstein auf dem Gewissen hat, in die Todeszelle zu bringen.«
»Sie wollen wissen, wie wir ihren Mörder überführen können, ja?«
»Genau.« Espy Martinez konnte die Nervosität nicht ganz aus ihrer Stimme verbannen.
»Da habe ich leider noch mehr schlechte Nachrichten für Sie: kein Schusswaffengebrauch, das macht die Dinge immer komplizierter. Schusswaffen sind toll. Sie machen Krach, hinterlassen eine Sauerei, Kinderspiel, sie im Labor abzugleichen, und meistens sind die Täter nicht mal clever genug, sie so zu verstecken, dass wir sie nicht finden. Auch kein Messer. Wussten Sie, dass Strangulation eine bemerkenswert effiziente Art ist, jemanden umzubringen? Im Allgemeinen hinterlässt sie keine nennenswerten Partikel vom Täter am Opfer. Doch auf der Habenseite liefert die Forensik immerhin zwei Abdrücke von ihrer Kommode und einen dritten von dem Schmuckkästchen, das wir nicht weit vom Haus in der Gasse gefunden haben. Sie haben es auch geschafft, einen Teilabdruck des Daumens – nur ein kleines Stück, kann nicht sagen, ob es uns tatsächlich nützt – vom Hals des Opfers zu nehmen. Das hat Seltenheitswert, Miss Martinez. Aber falls wir dazu einen Treffer bekommen, also dann hat ihn selbst der inkompetenteste Staatsanwalt am Haken.«
»Ich bin nicht inkompetent, Detective.«
»So war das nicht gemeint …«
Es herrschte eine Weile Schweigen in der Leitung. Walter Robinson gestand sich ein, dass er kaum etwas Dümmeres zu Espy Martinez hätte sagen können.
»Na schön, Detective. Nun weiß ich also, wie wir zu einer Verurteilung kommen können. Toll. Wäre nur noch eine Kleinigkeit zu klären: Wie schnappen Sie den Mörder?«
»Zuerst werden wir die besten Abdrücke, die wir haben, mit denen von anderen Einbrüchen und Raubüberfällen vergleichen, die es in den letzten Monaten in und um Miami Beach gegeben hat, und schauen, ob nicht die von dem Bastard dabei sind. Danach werde ich ein paar von den Pfandleihern und Hehlern abklappern und gucken, ob wir einen Teil des Schmucks wiederfinden. Sophies Sohn hat mir eine ziemlich gute Beschreibung von einigen der gestohlenen Stücke gegeben. Ich hab schon an einige Läden Handzettel verteilt. Besonders nach dieser Halskette mit Sophies Namen drauf werde ich suchen.«
Espy Martinez hatte schon eine Bemerkung auf den Lippen, wie nonchalant der Detective das Opfer beim Vornamen nannte, hielt jedoch an sich.
»Und dann?«
»Und dann hoffen wir auf etwas Glück. Wir jagen den Abdruck durch den Gotcha-Computer des County, aber ich weiß nicht …«
»Den was?«
»Den Gotcha-Computer. Dieses ultramoderne Ding, das letztes Jahr mit all den Bundesgeldern an Land gezogen wurde. Soll Abdrücke vom Tatort mit denen abgleichen, die der Computer gespeichert hat.«
»Und? Wird das funktionieren?«
»Hat es zumindest in der Vergangenheit. Allerdings nur, wenn unser Mistkerl im Lauf des letzten Jahres oder so schon mal verhaftet wurde und wir Abdrücke von ihm haben. Wir werden sehen.«
Espy Martinez stand von ihrem Stuhl neben dem Schreibtisch auf. »Noch irgendetwas, das ich Lasser mitteilen kann?«
»Wie wär’s damit: Ich hab sechs weitere offene Fälle?«
»Wir wär’s damit: Der hier bleibt ganz oben auf der Liste?«, erwiderte sie und legte auf.
Walter Robinson hielt sich das Telefon dicht ans Ohr und horchte auf das Tuten. Er fragte sich, wie Espy Martinez wohl war, wenn sie mal keine Angst hatte, doch dann fragte er sich, ob das überhaupt vorkam.
Abraham Lasser war ein untersetzter Mann mit einem Seehundschnauzer und einer graumelierten Borstenmähne, die unbändig wild aus seinem Kopf zu sprießen schien. Im Kontrast zu seiner Haartracht pflegte er eine Vorliebe für elegante Zweireiher und stets auf Hochglanz polierte Schuhe. Wenn er durch das Labyrinth der Büros auf dem fünften Stock des städtischen Justizgebäudes pirschte, wirkte er wie der Alptraum eines Modedesigners. Erschien er in einem der Gerichtssäle im dritten Stock, verlegte er sich oft auf einen barschen Sarkasmus, den die Strafverteidiger ebenso bespöttelten wie fürchteten. Er war ein Mann, der großen Wert auf Einschüchterung legte, die neben seinen Gegnern auch seine Mitarbeiter zu spüren bekamen.
Espy Martinez war seiner Abteilung für Kapitalverbrechen seit acht Wochen zugeteilt. In der ganzen Zeit war sie ihm erst ungefähr ein halbes Dutzend Mal
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