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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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schöne Erinnerungen damit verbunden. Während eines einwöchigen Spanienaufenthaltes hatten sie und ihr französischer Geliebter nämlich jede Menge davon getrunken - eine perfekte Liaison, genau das Richtige für eine Frau Ende zwanzig, die sich kurz zuvor von ihrem Freund getrennt hatte. Die Urlaubsromanze verlief leidenschaftlich, intensiv und natürlich ohne die Gefahr einer längerfristigen Bindung, was sie nur umso besser machte.
    Bei der Weinprobe hatte Alice sich vorgebeugt, um einen Blick auf den Fragesteller zu werfen: ein durchschnittlich aussehender Mann in Anzug und Krawatte. Nach einigen Gläsern der vorgestellten Weinkollektion war sie etwas mutiger geworden, hatte mit ihrem Häppchenteller in der Hand den Raum durchquert und sich bei dem Fremden nach dem Grund für sein Interesse an dem besagten Rioja erkundigt.
    Er erzählte ihr von einer Spanienreise, die er ein paar Jahre zuvor mit einer Exfreundin unternommen und dabei Gefallen an dem Wein gefunden hatte. Sie nahmen an einem Tisch Platz und unterhielten sich eine Weile. Wie sich herausstellte, schien Arthur das gleiche Essen und dieselben Sportarten zu mögen wie Alice. Sie gingen beide joggen und brachten jeden Morgen eine Stunde in einem überteuerten Fitnesscenter zu. »Aber ich trage dabei bloß schlichte Shorts und ein einfaches T-Shirt vom Wühltisch«, sagte er. »Nicht so einen Designermüll. .« Dann wurde er rot, weil er merkte, dass er Alice womöglich beleidigt hatte.
    Doch sie lachte nur, denn sie selbst hielt es mit ihren Sportsachen genauso (und kaufte diese meistens in einem Billigladen in Jersey, wenn sie ihre Eltern besuchte). Allerdings widerstand sie dem Impuls, Arthur sogleich davon zu erzählen; sie wollte schließlich nicht übereifrig wirken. Und so spielten sie das beliebte Kennenlernspiel der Großstadtsingles: Was wir zwei ge
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    meinsam haben. Sie vergaben Noten an Restaurants, verglichen Episoden einer bekannten Sitcom und klagten über ihre Psychotherapeuten.
    Es folgte eine Verabredung, dann noch eine. Art war witzig und aufmerksam. Ein wenig formell und bisweilen schüchtern und zurückhaltend, aber das führte Alice auf die - wie er es nannte -»höllische Trennung« von seiner langjährigen Freundin aus der Modebranche zurück. Und auf seine enorme Arbeitsbelastung -typisch für einen Geschäftsmann in Manhattan. Er hatte nur wenig Freizeit.
    Würde etwas aus ihnen beiden werden?
    Noch war nichts Ernstes zwischen ihnen gelaufen. Aber es gab weitaus unangenehmere Menschen, mit denen man seine Zeit verbringen konnte. Und als sie sich beim letzten Treffen geküsst hatten, hatte Alice dieses sanfte Kribbeln gespürt, das ihr mitteilte, dass die Chemie stimmte. Der heutige Abend würde ihr eventuell genaueren Aufschluss darüber geben. Ihr war nicht entgangen, dass Arthur immer wieder - insgeheim, wie er glaubte - das enge rosafarbene Kleid musterte, das sie sich extra für diese Verabredung gekauft hatte. Für den Fall, dass es nicht beim Küssen bleiben würde, hatte Alice im Schlafzimmer zudem einige Vorkehrungen getroffen.
    Dann meldete sich plötzlich wieder diese leichte Verunsicherung, die Sorge wegen der Spinne. Was war denn nur los?
    Alice nahm an, es müsse sich wohl um einen Rest des Unbehagens handeln, das sie empfunden hatte, als ihr früher an jenem Tag ein Paket zugestellt worden war, von einem Mann mit kahl geschorenem Kopf und buschigen Augenbrauen, der nach Zigaretten roch und mit starkem osteuropäischen Akzent sprach. Während sie den Empfang quittierte, hatte der Kerl sie von oben bis unten anzüglich begafft und dann um ein Glas Wasser gebeten. Widerwillig hatte sie ihm aus der Küche etwas zu trinken geholt und ihn bei ihrer Rückkehr mitten im Wohnzimmer vorgefunden, wo er ihre Stereoanlage anstarrte.
    Sie hatte gesagt, sie erwarte Besuch, und er war mit finsterer Miene gegangen, als sei er beleidigt. Daraufhin hatte Alice aus
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    dem Fenster gesehen und fast zehn Minuten warten müssen, bis der Mann unten zum Vorschein kam, in den in zweiter Reihe geparkten Lieferwagen stieg und wegfuhr.
    Was hatte er die ganze Zeit in dem Apartmentgebäude gemacht? Die Sicherheitsvorkehrungen ausgekundschaftet. .?
    »Hallo, Erde an Alice. .«
    »Entschuldige.« Sie lachte, ging zum Sofa und setzte sich neben Arthur. Ihre Knie berührten einander. Die Gedanken an den Paketboten verschwanden. Alice und Arthur nahmen ihre Gläser und stießen an, diese zwei Menschen, die auf vielen wichtigen Gebieten

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