Der Tag, an dem du stirbst
kleiner Hund», erklärte Neil. «Niedlicher Labradorwelpe mit Schlappohren. Seit Tagen mit der Leiche eingesperrt. Offenbar kein guter Wachhund. Hat das Wasser aus der Kloschüssel geschlappt und sich durch einen Karton voller Kekse gebissen. Der Hundefänger hat ihn schon abgeholt. Wenn du deinem kleinen Jack ein Hündchen schenken willst …»
«Jack schläft, nuckelt und macht Bäuerchen. Was könnte er mit einem Hund anfangen?»
«Hmm», meinte Neil und nickte weise. «Ist wahrscheinlich nur eine Phase, die er durchmacht.»
Vorsichtig trat D.D. über die Fäkalien hinweg und folgte Neil durch einen winzigen Wohnbereich in eine noch winzigere Kochnische. Sie winkte den Kollegen von der Spurensicherung zu und quetschte sich an ihnen vorbei. Die beiden grüßten, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. Dass sie so schnell wie möglich damit fertig sein wollten, war bei diesem Gestank mehr als verständlich.
Ein offener Türausschnitt führte von der Küche in eine Kammer, die offenbar als Schlafzimmer genutzt worden war. D.D. entdeckte Phil darin, den anderen Teamkollegen, der vor einem kleinen Schreibtisch saß und ihr den Rücken zugekehrt hatte. Er trug Handschuhe, und seine Finger flogen über die Tasten eines Laptops aus dem Besitz des Opfers. Für vorläufige Datensicherung war er der Bestqualifizierte im Team. Später würden sich natürlich die eigentlichen Experten den Laptop vornehmen, aber weil in jedem Ermittlungsfall jede Minute zählte, mochte Phil deren Ergebnisse nicht abwarten, zumal damit frühestens in sechs Wochen zu rechnen war.
«Hey, Phil», rief sie dem älteren Kollegen zu.
Er warf einen flüchtigen Blick über die Schulter, hob grüßend den Arm – und sprang auf, als er ein zweites Mal hinschaute.
«Ist was mit Jack?», fragte er. Phil hatte vier Kinder.
«Nein», knurrte sie.
«Alex …»
«Nein.»
«Ihre Eltern kommen», erklärte Neil, der hinter ihr stand.
«Du hast Eltern?»
D.D. musterte Phil mit kritischem Blick, der sich schnell wieder dem Laptop des Opfers widmete und ihr damit Gelegenheit gab, die Aufmerksamkeit auf die Kochnische zu richten. Vor einem kleinen, an die Wand gerückten Tisch standen zwei wacklige Holzstühle. Auf einem hing die Leiche.
Ben Whitley, der Rechtsmediziner, beugte sich über sie. Er hatte ihr, D.D., das Gesicht zugewandt, und ihr fiel auf, dass er es tunlichst vermied, Neil anzuschauen.
Hmmm , dachte sie. Ist wahrscheinlich nur eine Phase.
Sie musterte das Opfer, ein entweder überaus feister oder überaus aufgedunsener weißer Mann mit fettigen braunen Haaren und zwei Einschusslöchern auf der linken Stirnseite.
«Hat jemand Schüsse gehört?», fragte sie. Ihre Augen brannten immer noch vom Uringestank. Erst jetzt verstand sie, warum sich Neil ein Taschentuch vor die Nase drückte. Sie fing zu würgen an.
«In dieser Nachbarschaft?», entgegnete Neil.
D.D. presste die Lippen aufeinander. Sie wusste, was er damit sagen wollte.
Der massige Körper des Toten schien aus den engen Jeans und dem zugeknöpften roten Flanellhemd platzen zu wollen. Die Schüsse hatten ihm den Kopf in den Nacken geworfen, und die Gesichtszüge waren während der ersten zwei bis sechs Stunden der Leichenstarre eingefroren. Nach zwei oder drei Tagen hatte sie sich jedoch wieder gelöst; die Muskulatur war erschlafft, und das Fleisch schien wie schmelzendes Wachs von den Kieferknochen zu rutschen. Der nächste Verwesungsschritt: einsetzende Fäulnis. Bakterien produzieren Gase, die den Körper aufblähen und einen ganz eigenen Geruch entwickeln, an den sich auch Ermittler in Mordfällen und Rechtsmediziner nur schwer gewöhnen können. Die Haut des Unterleibes verfärbt sich blaugrün, während aus Mund, Nase und Anus Körperflüssigkeit austritt.
An Verwesung war nichts Schönes. Aber dass der Körper des Toten, von den Schussverletzungen abgesehen, noch intakt war, erleichterte D.D. ein wenig. Die bakterielle Zersetzung hatte gerade erst eingesetzt und betraf nur die Innereien. Das machte die Sache erträglich. Trotzdem mochte D.D. dem Leichnam nicht so nahe kommen wie der Rechtsmediziner.
«Der Todeszeitpunkt könnte also drei bis vier Tage zurückliegen?», fragte sie Ben.
Er schürzte die Lippen und dachte nach. «Kalte Temperaturen hemmen den Verwesungsprozess. So auch hier. Genaueres kann ich Ihnen erst nach der Obduktion sagen.»
«Was vermuten Sie denn?»
«Todesursache werden die beiden Einschüsse in der Stirn gewesen sein», antwortete er. «Die
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