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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Inhaltsübersicht]
    30. Kapitel
    «Na toll», blaffte D.D. «Nach dieser Vernehmung wird sie nie darauf kommen, dass wir sie im Visier haben. Sehr subtil. Vertrauensbildend. Ich wette, Charlene wird anfangen, Freundschaftsbändchen für uns zu knüpfen, sobald sie zu Hause ist. Glauben Sie nicht auch?»
    Detective O schmollte. Sie zog einen Stuhl unter dem Konferenztisch hervor und ließ sich darauffallen. «Sie ist schuldig, und das wissen Sie. Haben Sie ihr ins Gesicht gesehen? ‹Sagen Sie mir, dass Sie kein Killer sind.› Sie brachte es nicht über die Lippen.»
    «Unsinn. Wir müssen sie jetzt beschatten lassen. Dabei haben wir nichts gegen sie in der Hand, geschweige denn ausreichende Mittel für ihre Observation.» Auch D.D. rückte sich einen Stuhl zurecht. Der Schnellhefter lag vor ihr auf dem Tisch. Sie schlug ihn auf und betrachtete die darin enthaltenen Tatortfotos. Es war fünf Uhr. Ihre erste Nacht fern von Jack.
    Der Anblick der winzigen Gerippe auf den Fotos machten ihr interessanterweise kaum zu schaffen. Die Fingerknöchelchen hatten die Größe von Reiskörnern. Der Schädel des kleinen Jungen war eingefallen; seine Einzelteile sahen aus wie gelbe Rosenblätter.
    Das Skelett des Mädchens war noch von mumifiziertem Gewebe überzogen und intakt. Mit seinen langen dunklen Haaren sah es auf den ersten Blick aus wie eine makabre Puppe. Nur bei näherer Betrachtung erkannte man das achtzehn Monate alte Kleinkind, das wahrscheinlich schon einige Zeit hatte stehen und Schritte machen können.
    Was ihr sehr viel mehr zu schaffen machte, waren die Decken: eine blassrosafarbene mit roten Punkten für das Mädchen und eine hellblaue mit dunkelblauen Teddybären für ihn. Christine Grant hatte ihre Kinder getötet und sie anschließend in ihre Decken eingewickelt. Eine im Grunde sehr mütterliche Geste.
    Unbegreiflich.
    Um ein Uhr am Mittag fühlte sich D.D. hundemüde. Sie wollte nur noch nach Hause zu Jack und ihr Baby an sich drücken.
    Sie schob den Schnellhefter beiseite, zwickte sich in die Nasenwurzel und überlegte, was als Nächstes zu tun sei.
    «Ich glaube, sie ist Abigail», sagte Detective O.
    D.D. öffnete die Augen und schaute ihre Kollegin von der Sitte fragend an. «Wie bitte?»
    «Sybil. Erinnern Sie sich? An dieses Mädchen, das von der eigenen Mutter auf so grausame Weise misshandelt worden war, dass es, um sich zu schützen, eine multiple Persönlichkeit ausgebildet hatte?»
    D.D. starrte sie an.
    «Charlene wurde ebenfalls grausam misshandelt, vielleicht mit ähnlichem Ergebnis. Sie hat sich womöglich nicht nur die Namen ihrer toten Geschwister angeeignet, sondern auch für beide eine jeweils eigene Persönlichkeit entwickelt. Diese Abigail, von der sie sprach, könnte also …»
    «Das Baby mit den braunen Augen …»
    «Im wirklichen Leben, ja. Aber es wurde von Charlenes Mutter getötet, worauf Charlene eine Beschützerpersönlichkeit namens Abigail angenommen hat. Nicht Charlene bringt die Sexualstraftäter um. Das tut Abigail. Ein braunhaariger, blauäugiger Killer läuft durch Boston und gibt sich als Abigail aus. Herrje. Und wie passt das zu den Botschaften innerhalb der Botschaften? Wahrscheinlich schreibt die Beschützerpersönlichkeit Abigail in perfekter Handschrift Irgendwann muss jeder sterben , und Charlene, die vor Mord zurückschreckt, kritzelt eine zweite Nachricht dazu, nämlich Schnappt mich . Ein Hilferuf. Eine Nachricht mit zwei unterschiedlichen Botschaften, die auf zwei unterschiedliche Persönlichkeiten zurückgehen.»
    D.D. starrte die jüngere Kollegin an. «Ich glaube, hier läuft ein schlechter Film.»
    Detective O zuckte mit den Achseln. «Die Psychiatrie spricht in solchen Fällen von Konversionsstörungen. Oder haben Sie eine andere Erklärung für die Botschaften innerhalb der Botschaften oder dafür, dass ein Klon von Charlie Päderasten über den Haufen schießt und sich dann als Abigail vorstellt?»
    Genau genommen … «Nein. Warum schlagen Sie Charlene nicht vor, zu uns zurückzukommen und sich einer psychiatrischen Begutachtung zu unterziehen? Ihnen wird sie diesen Wunsch bestimmt nicht abschlagen.»
    «Freundlichkeit bringt bei ihr nichts», erwiderte O.
    «Ach ja? Wann haben Sie’s denn damit versucht?»
    «Ausgerechnet Sie als notorische Oberschnepfe machen mir Vorhaltungen.»
    «Notorische Oberschnepfe?»
    «Würde ich als Kompliment auffassen.»
    «Tue ich auch. Zurück zum Wesentlichen: Wir hatten uns vorgenommen, unsere Verdachtsperson

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