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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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er verkümmert, ich konnte ihn einfach nicht mehr bewegen. Ich versuchte, mir eine Wohnung vorzustellen, einen Hinterhof, ein Haustier. Gesichter, Gerüche, irgendetwas, das sich mit meiner Kindheit in Verbindung bringen ließ.
    Ich schluckte schließlich zwei Aspirin und boxte Luftlöcher vor meinem Spiegel.
    Die Frau, die mir entgegenblickte, war ausgemergelt. Hatte Blutergüsse am Hals. Streng zurückgekämmte braune Haare. Verrückte blaue Augen.
    Ich sah aus wie meine Mutter vor zwanzig Jahren.
    Abigail, hatte mich Detective O genannt. Abigail  …
    Ich drosch auf den Spiegel ein. Plötzlich. Blitzschnell. Ein-, zwei-, dreimal. Zerschlug ihn mit bloßen Händen. Sah dann die Scherben auf den Holzboden regnen, eine Kaskade aus Silber.
    Und für einen Moment …
    Die Küche. Silbriges Mondlicht. Flammen, die an den Wänden emporloderten.
    Frances, meine Vermieterin, klopfte an die Tür. «Ist was passiert?»
    «Verzeihung. Ich war ungeschickt. Ist aber nichts passiert. Alles in Ordnung.»
    Ich betrachtete meine blutenden Knöchel. Im linken Handrücken steckte ein Glassplitter. Ich zog ihn heraus und leckte das Blut ab.
    Dann, obwohl ich noch eine Stunde Zeit gehabt hätte, ging ich zur Arbeit.

    Officer Mackereth begegnete mir auf dem Parkplatz. Er hatte gerade seinen Streifenwagen abgestellt, stieg aus und sah mich über den schlecht beleuchteten Gehweg von der U-Bahn-Station auf die Zentrale zukommen.
    «Charlie», sagte er in einer Tonlage, die mich sofort alarmierte.
    Ich blieb stehen, genau in der Mitte zwischen zwei Straßenlaternen, stellte die Beine auseinander und legte meine behandschuhte Hand auf die Umhängetasche.
    Er registrierte meine defensive Haltung und blieb im Abstand von wenigen Schritten so plötzlich stehen, dass er nach vorn wippte. Seine Hand senkte sich auf die geholsterte Waffe. Wir standen uns an die fünfzehn, zwanzig Sekunden reglos gegenüber. Ihn umkränzte das Licht der einen Laterne, mich das der anderen. Keiner von uns war im Vorteil, keiner im Nachteil.
    «Sind Sie bewaffnet?», wollte er wissen.
    «Warum fragen Sie?»
    «Ich weiß Bescheid. Heute kam ein Anruf. Shepherd wartet schon auf Sie. Er will Ihre 22er haben. Was haben Sie angestellt, Charlie?»
    Ich antwortete nicht. In meinem Kopf arbeitete es auf Hochtouren. Kein Zweifel, die Bostoner Polizeizentrale brachte mich mit Stan Millers Tod in Verbindung. Detective O hatte das ja schon mehr oder weniger angedeutet und mir ein Geständnis zu entlocken versucht. Wie waren sie mir auf die Schliche gekommen? Vielleicht hatte sich Tomika der Freundin einer Freundin anvertraut. Vielleicht hatte mich jemand an diesem Abend ins Haus gehen sehen, und das nicht nur ein Mal, sondern gleich zwei Mal.
    Wahrscheinlich waren sie längst überzeugt von meiner Schuld. Eine Biographie wie meine musste schließlich früher oder später zu Mord und Totschlag führen.
    Woher wissen Sie, dass sie erstickt wurden, Charlie?
    Ich wusste es einfach. Rosalinds kleiner bleicher Körper, eingewickelt in eine blassrosafarbene, gepunktete Decke. Sie liebte diese Decke. Hatte ihre winzigen Fäuste in den weichen Vlies gekrallt und am Saum aus Satin genuckelt.
    Ich hatte sie darin eingewickelt. Danach.
    Kümmere dich um die Kleine, Charlie. Sorg dafür, dass sie zu weinen aufhört. Mommy dreht durch, wenn sie nicht aufhört zu weinen.
    Oh Gott, was hatte ich getan?
    «Charlie?»
    Officer Mackereth. Er hatte sich nicht vom Fleck gerührt; die rechte Hand schwebte immer noch über dem Holster an der Hüfte. Wir standen im Abstand von vier Schritten einander gegenüber. Meine Hand an der Umhängetasche zitterte, was ich mir selbst nicht erklären konnte.
    «Ich werde morgen sterben», hörte ich mich sagen. «Gegen acht am Abend. Man wird mich erdrosseln. Ohne dass ich mich wehren würde. Hinweise auf Kampfhandlungen oder Spuren gewaltsamen Eindringens wird es nicht geben. Ich werde meinen Tod willkommen heißen.»
    Officer Mackereth starrte mich an.
    «Ich bin ein guter Schütze, ordentlich durchtrainiert und kann meine Fäuste gebrauchen. Ich will nicht sterben wie meine Freundinnen. Mein Leben war ohnehin beschissen genug. Falls es mit mir morgen doch zu Ende gehen sollte, wird auch der Killer nicht überleben.»
    «Charlie …»
    «Ich brauche meine Pistole. Ich weiß, Sie trauen mir nicht. Was wissen Sie schon von mir? Trotzdem, ich brauche meine Waffe. Noch dreiundzwanzig Stunden. Nein, sechsunddreißig. Wenn ich Sonntagmorgen noch lebe, kann die

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