Der Tag, an dem du stirbst
über Sport zu reden. Sie öffnen sich und geben ganz nebenbei persönliche Informationen preis.»
D.D. rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her. «Leuchtet ein.»
Detective O fuhr fort: «In der Regel sind die Täter nicht auf den Kopf gefallen. Computer sind Werkzeuge. Wir nutzen sie zur Recherche und um unsere Berichte zu verfassen. Internettäter nutzen sie, um aus ihrem erbärmlichen Alltag ausbrechen, das gemütliche Wohnzimmer anderer aufsuchen und mit Kindern fremder Leute Kontakt aufnehmen zu können. Manche richten sich sogar ihre eigenen Sites ein. So was wie Hamsters-play-Hockey.com. Auf der anderen Website, über die sie mit potenziellen Opfern Kontakt aufgenommen haben, ermitteln sie anhand des Nutzernamens die E-Mail-Adressen der Jungen, schicken ihnen eine Mail und laden sie ein, die hockeyspielenden Hamster zu besuchen. Daran ist nichts Alarmierendes, vor allem dann nicht, wenn die Mail von dem niedlichen Tier A kommt, mit dem man schon wochenlang gespielt hat. Das Kind klickt auf den Link, und schon ist es auf der Website, die vom Täter kontrolliert wird und sehr viel fragwürdigere Möglichkeiten der Kommunikation bereithält. Der Täter schleimt sich weiter ein und schickt gleich eine Mail mit den Worten: Hey, Kumpel, wie wär’s, wir treffen uns nach der Schule und spielen Fangen im Park? »
«Oder: Hast du Lust, mein neues Hündchen kennenzulernen », murmelte D.D.
«Sie spielen auf das zweite Opfer an, nicht wahr?», erwiderte O. «Stephen Laurent. Ja, so funktioniert’s natürlich auch. Die meisten Kinder sind gut manipulierbar. Sie bekommen eine E-Mail von einem vermeintlichen Freund und sagen ja. Sie besuchen die angegebene Adresse und finden dort ein Hündchen vor, das aber nicht, wie erwartet, einem Gleichaltrigen gehört, sondern einem erwachsenen Mann. Auch wenn ihnen unwohl dabei ist, auch wenn sie ahnen, dass es besser wäre zu verschwinden, spielen sie mit.» Sie zuckte mit den Achseln. «Sie sollen ja schließlich artig sein. Das haben wir unseren Kindern schließlich beigebracht.»
D.D. wurde übel. Nüchterne Analysen von kriminellen Handlungen entsprachen durchaus ihrer professionellen Einstellung, aber jetzt hatte sie Jack vor Augen, ihren Jungen in fünf Jahren, liebevoll umsorgt und großgezogen in guter, sicherer Nachbarschaft, Schüler einer guten Schule. Doch sobald er online ginge … Er würde in einen virtuellen Rattenbau voller dunkler Winkel und zwielichtiger Gestalten eintauchen, nur dass sich diese dunklen Winkel als bunte, helle Spielwiesen darstellten und die zwielichtigen Gestalten sich als lustige Häschen tarnten. Gütiger Himmel!
«Haben Sie Kinder?», fragte sie Ellen O.
Die Kollegin verzog keine Miene. «Soll das ein Witz sein? Von mir kann man jede Menge hässlicher Fakten hören, so zum Beispiel, dass vierzig Prozent aller Mädchen zwischen zwölf und siebzehn Jahren von Fremden im Internet zu sexuellen Dienstleistungen aufgefordert werden. Glauben Sie, das wäre ein Gesprächsthema für romantische Rendezvous? Oder auf Cocktailpartys? Nun ja, immerhin halten es meine Katzen mit mir aus.»
D.D. wusste genau, was sie meinte. O hatte den Kopf voll von abscheulichen Geschichten, und nicht mal D.D. war sich sicher, ob sie mehr davon hören wollte. Als Mutter und Cop würde sie sich nur hilflos fühlen.
«Habe ich richtig verstanden», fragte sie, «dass Antiholdes Computerprotokolle ihn als Päderasten überführen?»
«Ja.»
«Und Stephen Laurent?»
«Ich würde mir gern auch seinen Computer vornehmen, aber nur mit Ihrer Erlaubnis.»
«Die haben Sie», sagte D.D. «Zurzeit suchen wir noch nach einer Beziehung zwischen den beiden Mordopfern.»
«Sie waren beide pädophil.»
«Und wurden ermordet. Wenn sich beide auf diesen Websites herumgetrieben haben, von denen Sie sprachen …»
«Stellt sich die Frage, weshalb sie aufgeflogen sind», führte O den Gedanken zu Ende. «Online unterscheiden sie sich nicht von anderen Nutzern. Trotzdem ist ihnen jemand auf die Schliche gekommen.»
«Ein gemeinsames Opfer vielleicht», meinte D.D. «Oder jemand, der ein Opfer der beiden kennt.»
Sie dachte an den Handschriftenexperten der Kriminaltechnik, mit dem sie am Abend zuvor gesprochen hatte. Dembowski glaubte an eine weibliche Verfasserin der ominösen Nachricht. Aber das ließ sie jetzt unerwähnt. Graphologischen Gutachten war laut Dembowski ohnehin nicht zu trauen, und vage Vermutungen hätten die laufenden Ermittlungen nur behindert. Den
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