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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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befriedigte mich. Gab mir das Gefühl, genau am richtigen Platz zu sein.
    «Hat er angerufen?», fragte ich leise.
    «Vor fünf Minuten.»
    Ich warf einen Blick auf meine Uhr und setzte mir eine Frist. «Gehen wir», sagte ich und streckte den Arm aus. Für den neunjährigen Michael schien es das Selbstverständlichste von der Welt zu sein, sich bei mir unterzuhaken. Ich lächelte ihm zu. Er blickte mit ernster Miene zu mir auf, und auch das verlieh mir ein gutes Gefühl.
    Tomika hatte sich vor sechs Monaten zum ersten Mal bei uns in der Leitstelle gemeldet. Die übliche Geschichte. Der Ehemann hatte im Suff Randale gemacht. Die Polizei kam und konnte ihn beruhigen. Sie verzichtete auf weitere Maßnahmen.
    Doch dann, vor sechs Wochen, hatte ich Michael in der Leitung. Seine Mutter war ausgegangen und hatte ihn und seine kleine Schwester mit dem Vater allein gelassen. Diesmal hielten sie sich im Wandschrank versteckt, um weder gehört noch gesehen zu werden. Andere Männer waren zu Besuch in der Wohnung. Es war zum Streit gekommen, und als einer der Männer plötzlich eine Waffe gezogen hatte, war Michael mit seiner Schwester ins Schlafzimmer geflohen, denn er wusste nicht, wohin er sich sonst hätte verziehen können.
    Ich tat, was mir beigebracht worden war. Ich stellte Fragen, schickte mehrere Beamte auf den Weg und behielt Michael am Apparat. Fünfundvierzig Minuten lang. Wir sangen alberne Liedchen, erzählten uns gegenseitig Witze. Ich lernte von Michael und Mica sogar ein paar Ghettoslang-Phrasen, bereits in der Absicht, meine Credibility zu steigern.
    Als der erste Streifenbeamte eintraf, war der Besuch verschwunden und Stan stinksauer darüber, dass ein Uniformierter vor seiner Tür stand. Officer Tom Mackereth hatte in dieser Nacht Dienst, und er machte seinen Job gut. Über Michael und Mica, die verängstigt mit dem Telefon im Schrank saßen, verlor er kein Wort. Er behauptete, dass sich Nachbarn über ruhestörenden Lärm beschwert hätten. Ob Stan auch etwas gehört habe?
    In den Tagen und Wochen danach rief Michael wiederholt an. Manchmal einfach nur, um zu reden. Denn die Nächte in seinem Zuhause waren lang, und wen kümmerten schon Gespenster unterm Bett, wenn der größte Schrecken besoffen auf dem Sofa im Wohnzimmer lag? Michael sorgte sich um seine Mutter. Er hatte Angst um seine Schwester.
    Nach dem letzten mitgeschnittenen Anruf vor drei Wochen hatte sich das Jugendamt eingeschaltet. Wie mir Michael Tage später erklärte, hatte Stan die Familie um sich geschart und aufgefordert, dem Sozialarbeiter Rede und Antwort zu stehen. Er selbst hörte nur zu und starrte sie an.
    Kaum hatte der Sozialarbeiter die Wohnung verlassen, holte Stan seinen Hammer. Er brach Tomika sämtliche Finger und vergriff sich auch an Michael und Mica. Damit keiner, wie er sagte, jemals wieder zum Telefon griffe. Wenn doch, würde er das nächste Mal nicht mit dem Hammer kommen, sondern mit einer Axt.
    Michael hatte nicht weniger als vierundzwanzig Stunden gebraucht, um genug Mut aufzubringen und mit dem kleinen Finger 911 zu wählen. Weil ich keinen Dienst hatte, versuchte er es zwei Tage später wieder. Natürlich wurde auch dieser Anruf aufgezeichnet. Auf dem Band aber würde nichts anderes zu hören sein als ein kleiner Junge auf der einen Seite, der mit dem Telefon spielte und seine Mutter zu erreichen versuchte, und auf der anderen eine genervte Telefonistin, die ihm schließlich eine Nummer nannte, um ihn abzuwimmeln.
    Eine Nummer, unter der ich auf meinem Prepaid-Handy zu erreichen war. Die hatte er sich merken sollen.
    Michael und ich setzten unsere Gespräche heimlich fort. Auch Tomika, seine Mutter, beteiligte sich daran. Dann löste ich mein Sparkonto auf, strich viertausendzweihundert Dollar ein und besorgte einer Frau und ihren zwei Kindern neue Ausweise. Außerdem mietete ich eine Wohnung an, zahlte die Kaution und kaufte drei Bustickets für die Fahrt dorthin.
    Mir blieben noch dreiundsiebzig Stunden und dreißig Minuten.
    Was hätten Sie an meiner Stelle getan?

    Ich begleitete Tomika, Michael und Mica zur Bushaltestelle. Sie würden noch dreimal umsteigen müssen, ehe sie in Portsmouth, New Hampshire, ankämen. Dort wohnte eine alte Freundin Tomikas, die ihr schon einen Job besorgt hatte. Neue Namen, ein neues Leben, neue Möglichkeiten.
    Tomika weinte.
    «Ich liebe ihn», sagte sie und rang die Hände, die voller Stahlstifte und dick bandagiert waren.
    «Er wird Sie umbringen.»
    «Ich weiß.»
    «Er wird

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