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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Dass sich ein grauhaariger Veteran noch so schnell bewegen konnte, verblüffte mich nicht wenig.
    Das Problem war: Mit jeder wuchtigen Attacke ging jede Menge Energie verloren. Selbst Schwergewichtschampions können die dafür notwendige Power nur maximal drei Minuten aufrechterhalten.
    Meine Fäuste wurden immer schwerer. Mein Herz raste am Limit. Mir wurde schlecht vor Anstrengung. Ich jagte ihn nicht mehr, sondern taumelte ihm nur noch hinterher, einzig und allein von meinem Willen getrieben. Der Rest von mir war platt.
    J.T. machte dem bösen Spiel ein Ende, indem er sich vor einem dürren Baum auf den Boden fallen ließ. Ich kollabierte unmittelbar neben ihm. Der Schnee tat mir gut; er war wie Balsam auf meinen überhitzten Wangen.
    Tulip hockte sich neben mich und wimmerte nervös. Ich streichelte ihr den Kopf. Sie fuhr mit der Zunge über meine Wange und ging dann auf J.T. zu, um auch ihn abzulecken. Erleichtert darüber, dass nun alles in Ordnung schien, nahm sie zwischen uns Platz und schmiegte sich an mich. Eine Weile später stand J.T. auf, sammelte meine Umhängetasche ein, die ein paar Schritte abseits im Schnee lag, und gab sie mir zurück.
    Er setzte sich wieder vor den Baum und schaute mich schweigend an.
    «Warum verdrischt mich ausgerechnet mein Schießtrainer?», fragte ich schließlich.
    Er verzog keine Miene. «Mit einer Schusswaffe zu trainieren ist schön und gut», entgegnete er nüchtern. «Im Ernstfall werden Sie aber wahrscheinlich nicht abdrücken. Oder wenn doch, stehen Sie so unter Stress, dass Sie ziellos drauflosballern, bis die Munition alle ist. Und dann heißt es wieder: Nahkampf, Mann gegen Mann.»
    Ich erinnerte mich an meine Begegnung mit Stan Miller. J.T. hatte sie mit seinen Worten hübsch zusammengefasst. Nach unserer wilden Schießerei war es zum nicht weniger wilden Handgemenge gekommen.
    «Haben Sie schon mal jemanden getötet?», fragte ich.
    «Ich habe genug Schaden angerichtet.»
    «Wie hat sich das angefühlt?»
    «Nie so gut, wie ich es mir gewünscht hatte.»
    Wir schwiegen wieder eine Weile. Ich streichelte Tulips Kopf.
    «Werde ich am Einundzwanzigsten sterben?», fragte ich schließlich. Eine dumme Frage, aber darauf läuft letztlich alles hinaus: auf dumme Fragen in schwindender Zeit, wenn wir auf dem Schienenstrang stehen, die Lokomotive auf uns zurasen sehen und uns Gedanken darüber machen, ob der Aufprall wohl weh tut.
    «Vielleicht», antwortete J.T. Er schaute mich wieder an. «Wer hat Sie geschlagen? Mutter, Vater, Freund?»
    Ich antwortete nicht sofort und streichelte stattdessen Tulips seidige braune Ohren. «Mutter», sagte ich nach einer Weile.
    Zum ersten Mal sprach ich es aus. Tante Nancy und ich haben nie darüber gesprochen. Auch Randi und Jackie wussten nichts von meiner leiblichen Mutter oder von meiner Kindheit an ihrer Seite.
    Aber J.T. Dillon erzählte ich alles. Dazu bewegte mich unsere brutale Auseinandersetzung. Denn so etwas verbindet. Sex, Gewalt, Tod. Sie alle sind auf ihre Art sehr intim. Auch das war mir bis vor einem Jahr nicht bewusst gewesen.
    «Sie haben sich nicht zur Wehr gesetzt», resümierte J.T. unsere Schlägerei. «Sie haben nicht für sich gekämpft.»
    «Am Ende doch.»
    «Nein. Ich habe Ihren Hund getreten. Sie haben sich für Ihren Hund eingesetzt.»
    «Sie ist ein gutes Tier.»
    Er starrte mich an. «Schlagen Sie sich Ihren Hund aus dem Kopf», sagte er plötzlich.
    Ich zuckte innerlich zusammen und zog unwillkürlich meine Hand von Tulip weg.
    «Im Ernst», fuhr J.T. fort. «Sie müssen für sich eintreten, all Ihre Wut, Ihre Scham und Ihr Stillschweigen in eine Waffe ummünzen. Und Sie sollten wissen, Charlie, wirklich begreifen, dass es ganz und gar nicht okay ist, wenn man Ihnen Leid zufügt. Das haben Sie nicht verdient. Wenn man Sie angreift, nehmen Sie es nicht hin, sondern schlagen Sie zurück.»
    «Ich versuch’s.»
    «Bullshit! Sie zögern. Sie sind darauf gedrillt, Misshandlungen auszuhalten und darauf zu warten, dass sie von allein aufhören. Hören Sie, ich kann Ihnen beibringen, wie man schießt. Andere können Ihnen beibringen, wie man mit den Fäusten zuschlägt. Aber niemand schafft es, Ihnen die Opferrolle auszutreiben, die Sie für sich gewählt haben. Das müssen Sie tun. Sie müssen sich selbst um sich kümmern.»
    Ich wurde rot und kam mir vor wie ein zurechtgewiesenes Mädchen, das seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Ich wollte nicht mehr passiv bleiben. Ich wollte tatsächlich ein mieses

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