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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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ich mich an Michael und das Prepaid-Handy, das ich ihm an der Bushaltestelle zugesteckt hatte, und warf einen Blick aufs Display.
    Michael war es nicht, doch ich erkannte die Nummer sofort.
    «Haben Sie letzte Nacht gearbeitet?», fragte D.D. Warren.
    «Ja.»
    «Schon geschlafen?»
    «Nein.»
    «Dann geht es Ihnen wie uns. Kommen Sie in die Zentrale. Wir haben einen Plan.»
    «Und der sieht wie aus?»
    «Ich bin Ihre neue beste Freundin. Seien Sie in einer halben Stunde in meinem Büro. Ich möchte Ihnen etwas zeigen.»
    Sergeant Detective D.D. Warren legte auf. Als ich den Kopf hob, sah ich, wie J.T. mich beobachtete.
    «Müssen Sie gehen?», fragte er.
    «Ich glaube ja.»
    «Okay», sagte er.
    «Okay.»
    Ich holte meinen Hund. Als ich mit Tulip das Haus verließ, war J.T. verschwunden. In der Luft hing noch der Gestank von Schießpulver.
    «Typisch», murmelte seine Frau Tess, die mir nach draußen auf die Veranda gefolgt war und die Arme vor ihrem schwarz-grau karierten Kleid verschränkte, um sich zu wärmen. «Er geht, ohne sich zu verabschieden.» Sie war jünger als J.T., näher an fünfzig als an sechzig. Ihre aschblonden Haare fingen gerade erst an, grau zu werden. Sie waren zurückgekämmt und brachten ihr zartes Gesicht zur Geltung. Schön war sie nicht, aber sehr attraktiv. Ihr Blick erinnerte mich an ihren Mann. Beide betrachteten ihre Umgebung sehr aufmerksam und schienen darauf vertrauen zu können, dass sie mit dem, was sie sahen, zurechtkamen. Sie passten perfekt zueinander.
    Ich schaute über den leeren Schießplatz. «Ich glaube, ich weiß, was in ihm vorgeht», sagte ich.
    Tess trat an meine Seite. «Ich habe ihn gebeten, bei Ihnen zu bleiben, am Einundzwanzigsten. Für alle Fälle.»
    «Nein.»
    «Er wusste, dass Sie das sagen würden.»
    «Sind Sie schon einmal geschlagen worden?», fragte ich spontan.
    «Ja.»
    «Haben Sie es hingenommen, oder haben Sie zurückgeschlagen?»
    «Beides. Menschen ändern sich. Kinder werden erwachsen.»
    «J.T. meinte, ich müsse mir meine Mutter aus dem Kopf schlagen.»
    «Er gibt kluge Ratschläge.»
    «Aber ich weiß nicht, wie.»
    «Hassen Sie sie?» Tess klang tatsächlich neugierig.
    Ich musste darüber nachdenken. «Ich weiß es nicht. Ich versuche, nicht an sie zu denken, mich nicht zu erinnern. So kommt das, was ich für sie empfinde, gar nicht erst hoch.»
    «Dann ist genau das Ihr Problem.»
    «Verdrängung? Aber darin sehe ich meine Stärke.»
    «Wenn Sie wirklich fürchten, am Samstag um Ihr Leben kämpfen zu müssen, wäre wohl zu erwarten, dass das Gefühle in Ihnen auslöst.»
    «Ich bin stinksauer», entgegnete ich.
    «Das ist doch mal ein Anfang. Eine richtige Antwort gibt es ohnehin nicht. Ich habe meinem Vater verziehen. Aber J.T. wird wohl nie aufhören, seinen Vater zu hassen.»
    Was sie sagte, überraschte mich, aber ich ging darauf nicht ein.
    «Ich will nicht hassen», fuhr Tess fort. «Weder meinen Vater noch meinen Exmann. Ich habe ihre Wut über mich ergehen lassen, so lange, wie ich sie brauchte, um das zu tun, was ich tun musste. Bis ich endlich davon Abstand nehmen konnte. Ich habe meine Kinder vor Augen und spüre, wie sehr ich sie liebe. Ich spüre, wie sehr sie mich lieben. Und damit geht es mir sehr viel besser.»
    «Ich liebe meinen Hund», sagte ich und tätschelte Tulips Kopf. «Dabei ist es genau genommen gar nicht meiner.»
    «Klingt wie die Zeile aus einem Country-Song. Übrigens, Charlie, Sie sind herzlich eingeladen, bei uns zu wohnen, so lange Sie wollen.»
    Ich nickte und richtete mich auf, schlang mir die Umhängetasche über die Schulter und nahm Tulip an die Leine. «Auf Wiedersehen, Tess», sagte ich.
    Sie schien nicht überrascht zu sein. «Auf Wiedersehen, Charlie.»
    Tulip winselte ein wenig, als wir von der Veranda herabstiegen, aber weder sie noch ich blickten zurück.

    Wir marschierten fast zwanzig Minuten durch leichten Schneefall, bis wir eine Gegend erreicht hatten, wo so viel Verkehr herrschte, dass ich versuchen konnte, ein Taxi herbeizuwinken. Der Fahrer wollte Tulip nicht mitnehmen. Ich musste für sie einen zusätzlichen Fünfer lockermachen, den letzten Schein, den ich hatte. Nun ja, nach zwanzig Minuten waren wir vor der Polizeizentrale in Roxbury.
    Am Rande bemerkt: In einer Notrufzentrale arbeitet man nicht des Geldes wegen.
    Ich dachte an Officer Mackereth, spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss, und erinnerte mich schnell daran, dass auch das nicht der Grund war.
    Um ins Gebäude zu

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