Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
Vom Netzwerk:
hätte beipflichten können.
    «Tulip wird am Einundzwanzigsten nicht in meiner Nähe sein», entgegnete ich. «Ich schicke sie zu meiner Tante.»
    «Sie sind eine Idiotin.»
    «Ich sehe mich eher als eine verantwortungsbewusste Person.»
    «Märtyrerin.»
    «Fürsorgliche Freundin.»
    «Aufopferungsvoller Esel.»
    «Kämpferin.»
    «Idiotin», wiederholte sich Detective Warren.
    «Sind wir fertig?»
    «Ich weiß nicht. Der Schlagabtausch mit Ihnen gefällt mir. Haben Sie Hunger?»
    «Wer bezahlt?»
    Sie musterte mich, dann warf sie einen Blick auf meinen Hund. Ich ordnete D.D. Warren in dieselbe Kategorie ein wie J.T. Dillon und seine Frau Tess. Wie sie schien D.D. nicht nur wahrzunehmen, sondern durchzublicken.
    «Kommen Sie, die Rechnung geht auf mich.»
    Tulip und ich folgten ihr in die Cafeteria. Ich entschied mich für ein geröstetes Chicken-Sandwich und Brot und Käse für Tulip. Außerdem packte ich zwei Hefeteilchen, eine Tüte Chips, eine Tasse Kaffee und eine Flasche Wasser auf das Tablett. D.D. zahlte kommentarlos.
    Als wir auf dem Rückweg am Empfangsschalter vorbeikamen, winkte uns der junge Sergeant zu sich und zeigte ihr meine 22er, an der inzwischen ein beschrifteter Zettel hing. Mir warf er einen abschätzigen Blick zu.
    «Die hatte sie in ihrer Tasche. Einen Schein dazu gibt’s auch», erklärte er.
    «Petze», hauchte ich ihm zu.
    D.D. schaute mich an.
    «Nichts», sagte ich.
    Sie roch an der Mündung. «Ist vor kurzem geputzt worden.»
    Ich zuckte nur mit den Achseln.
    «Warum helfe ich Ihnen eigentlich?»
    «Ich zahle Steuern.»
    «In dem Fall …» D.D. reichte dem Sergeant meine prächtige, vernickelte Taurus mit Rosenholzgriff zurück. «Wenn sie wieder geht, kann sie sich das Ding bei Ihnen abholen.»
    Der junge Sergeant nahm die Waffe entgegen und händigte mir einen Besucherschein aus. Ich schnitt ihm eine Grimasse.
    Wie gesagt, ich hatte viel zu lange nicht geschlafen.
    Wir fuhren nach oben ins Morddezernat. D.D. schaltete ihren Computer ein, und mir stockte zum zweiten Mal an diesem Tag der Atem.

    Auf dem Bildschirm tauchte ein Foto von Randi auf. Ihre wunderschönen, weizenblonden Haare waren auf der einen Seite hinters Ohr zurückgestrichen, auf der anderen fielen sie in anmutigen Wellen auf die Schulter herab und lenkten den Blick auf ihre großen, rehbraunen Augen. Sie saß neben einem Blumenkasten voller pinkfarbener Petunien, vielleicht – der Hintergrund war nicht zu erkennen – auf ihrer Eingangsveranda in Providence. Ihr breites, sanftes Lächeln traf mich unmittelbar. Wie sie mit den Fingerspitzen über die Perlenkette im Ausschnitt ihres taubengrauen Kaschmirpullovers fuhr, war mir eine vertraute Geste.
    Die Perlen stammten von ihrer Großmutter und waren ihr zu ihrem sechzehnten Geburtstag von den Eltern geschenkt worden. Jackie und ich hatten sie mit Ah- und Oh-Ausrufen bewundert. Wir standen zwar nicht auf Perlen, konnten aber nachvollziehen, dass Randi sehr an ihnen hing. Sie trug sie täglich, sogar bei der Gartenarbeit oder im Supermarkt, und sie sahen einfach perfekt an ihr aus. Falls Jackie eifersüchtig darauf war, dass ihre beste Freundin eine so extravagante Kette besaß, ließ sie sich davon nichts anmerken. Und falls ich auf das Erbstück einer Großmutter, die ihre Enkelin geliebt hatte, eifersüchtig war, ließ ich mir davon ebenfalls nichts anmerken. Wir freuten uns für sie.
    Sie war überglücklich an diesem Tag, und als sie das kleine Schmuckkästchen geöffnet hatte, trat ein Strahlen in ihr ansonsten stilles Gesicht, das noch heller zu leuchten schien als die Perlen.
    Unwillkürlich streckte ich die Hand aus und berührte das Bild auf dem flachen Monitor, als wäre auf ihm noch die warme Haut meiner Freundin oder das kleine Grübchen in der Wange zu spüren. Ich glaubte tatsächlich, sie wieder zu hören.
    Charlie, Charlie, Charlie! Sieh dir das an! Ich fasse es nicht. Die Perlen meiner Großmutter. Oh, Charlie, sind sie nicht wunderschön?
    Ehe ich mich besinnen konnte, platzte es aus mir heraus: «Ich habe sie im Stich gelassen.»
    D.D. Warren betrachtete mich auf ihre intensive Art. «Warum sagen Sie das?»
    «Ich war der Kitt. Darin bestand meine Rolle. Jackie organisierte alles, Randi inspirierte uns, und ich … ich sorgte für den Zusammenhalt. Ich sorgte dafür, dass wir uns nicht zerstritten. Uns ging es besser im Team, und das gefiel mir so. Es war also mein Job, uns, wenn es nicht so gut lief, daran zu erinnern, dass wir zu dritt mehr

Weitere Kostenlose Bücher