Der Tag an dem ich erwachte
verspürte schon wieder einen Stich des Neides und schämte mich dafür. Sowohl Ava als auch Stanley schienen es wahrzunehmen, denn sie lösten sich widerwillig voneinander und widmeten sich einzig und allein meinem Wohlbefinden.
„Gail, schmeckt dir dein Cocktail?“, erkundigte sich Stanley besorgt. „Möchtest du lieber etwas anderes? Weißwein, Rotwein, Champagner? Wasser habe ich bereits kaltgestellt, du weißt ja, wo die Küche ist. Ava sagte mir bereits, dass du viel Wasser trinkst, also habe ich dementsprechend vorgesorgt.“
„Ich danke dir, Stanley!“, sagte ich ernst und erlaubte mir, kurz seine Hand zu drücken. Er erwiderte den Druck und küsste mich flüchtig auf die Wange.
„Du brauchst dich nicht zu bedanken, Gail“, erwiderte er ernst. „Ich weiß, wie viel du Ava bedeutest. Ab jetzt bist du ein Teil unserer Familie, und ich werde alles dafür tun, damit du dich bei uns wohl fühlst. Ava, hast du Gail schon davon erzählt, was wir für sie geplant haben?“, wandte er sich an seine Frau.
„Oh nein, Stanley, jetzt hast du die Überraschung verdorben!“, schmollte sie beleidigt. „Ich wollte es ihr erst morgen sagen.“ Sie sahen sich an, und dann forderte sie ihn mürrisch auf: „Na gut, dann sag du es ihr!“
„Gail, der linke Flügel unserer Villa steht noch leer“, lächelte Stanley mich an. Sein Lächeln war warm und kam vom Herzen. Ich konnte nicht anders, als es zu erwidern. „Ehrlich gesagt, wussten wir bis gestern nicht so recht, was wir damit anfangen sollten. Jetzt wissen wir es. Endlich! Das Gästezimmer, in dem du schläfst, ist nur ein vorübergehendes Domizil“, fuhr er fort, „Ava hat bereits Dutzende von Möbelkatalogen bestellt. Sie wollte die Einrichtung für dein neues Zuhause mit dir gemeinsam aussuchen.“ Ich spürte, wie die Tränen meine Wangen benetzten. Schon wieder.
„Stanley, du hast den wichtigsten Teil ausgelassen“, sagte Ava verärgert.
„Oh ja, du hast recht, Schatz“, stimmte er ihr zu. „Ava wollte den linken Flügel unbedingt freihalten“, eröffnete er mir. „Für den Fall, dass du wieder zurückkommst. „Eines Tages wird er schon kommen“, sagte sie immer und immer wieder zwischen ihren Alpträumen, „ich weiß, dass er noch lebt. Ich fühle es einfach!“ Ich hatte gehofft, dass ihr Gefühl sie nicht täuschte, doch viel Hoffnung hatte ich nicht… Und dann warst du da. Als Gail. Du lebst tatsächlich noch. Und du siehst toll aus! Und ich bin glücklich, weil meine Ava glücklich ist. Also, lasst uns feiern! Du hast Avas letzten Film noch nicht gesehen, ist es wahr, Gail?“ Ich nickte beschämt. „Ava wurde sogar für den Oscar nominiert!“, sagte Stanley stolz, und Ava wurde tatsächlich rot. Ich lachte und umarmte sie.
„Ich wusste es schon immer, Stanley! Als kleines Mädchen hat sie immer vor dem Spiegel die Szenen unserer Lieblingsfilme nachgespielt. Da hatte sie noch Zahnlücken, aber man konnte bereits ihr Talent erkennen.“
„Und du hast sie immer wieder dazu ermutigt, nicht aufzugeben“, setzte Stanley meinen Bericht fort. Da wurde mir klar, wie eng ihre Beziehung war: Stanley schien über jedes kleine Detail aus Avas früherem Leben informiert zu sein. Plötzlich erinnerte ich mich an den Abend, an dem Ava Stanley zum ersten Mal begegnete. An dem gleichen Abend begegnete ich ihm . Es lief mir kalt den Rücken runter, und ich schüttelte mich unwillkürlich.
„Stanley“, traute ich mich schließlich, die Frage zu stellen, die mir auf der Zunge brannte, „kanntest du Greg gut?“
„Leider nicht so gut wie ich dachte“, antwortete er voller Bedauern. „Ich hielt ihn für einen guten Freund. Er hat uns allen etwas vorgespielt, Gail. Genau genommen, hätte er einen Oscar verdient!“, lachte er bitter. „Als du damals spurlos verschwunden warst, hatte auch Greg den Kontakt zu mir abgebrochen, doch ich erkannte leider keinen Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen. Wie denn auch? Greg hatte keine homosexuellen Neigungen, er war schon immer ein Frauenheld. Außerdem war ich zu dem Zeitpunkt viel zu sehr mit meinen eigenen Gefühlen beschäftigt.“ Er sah Ava so voller Liebe an, dass mein Herz einen Satz machte. „Mittlerweile mache ich mir schwere Vorwürfe“, gab er zerknirscht zu. „Ich hätte den Zusammenhang erkennen müssen !“ Ehe ich etwas darauf erwidern konnte, kam mir Ava zuvor.
„Du bist doch kein Hellseher, Liebling“, sagte sie sanft, „und du bist der letzte, der sich irgendwelche
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