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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
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wirklich drauf!“, lobte ich mich laut und sah nervös auf die Uhr. Nur noch eine Stunde. „Beeil dich, los!“, feuerte ich mich an und eilte ins Bad, um mich meiner Körperpflege zu widmen. Als ich duschte, stellte ich erneut fest, dass meine Haut völlig frei von jeglicher Körperbehaarung war. Sie war so zart und weich wie die Haut eines Neugeborenen, das ich, so Gott will, bald in meinen Armen halten würde. Ich streichelte meinen flachen Bauch und murmelte das gewohnte Gebet: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde Dein Name. Dein Reich komme. Lass mich ein Kind von Ryan empfangen, bitte, lieber Gott! Dein Wille geschehe, so im Himmel wie auf Erden. Bitte, lass es geschehen, ich verlange doch sonst nie etwas von dir! Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“
    Und dann kümmerte ich mich endlich um mein Erscheinungsbil d. Für Ryan. Ich breitete die teuren Kosmetika, die er mir mitgebracht hatte, auf dem geräumigen Regal in seinem Badezimmer aus und stellte erfreut fest, dass ich ganz genau wusste, wie man sie einsetzte. Ich schminkte mich aufwändig, wobei jeder Strich meines Kosmetikpinsels so präzise saß wie der Pinselstich eines begabten Malers. Du bist ein neuer Van Gogh, dachte ich amüsiert, mit dem Unterschied, dass du es keineswegs vorhast, dir eines deiner hübschen kleinen Ohren abzuschneiden. Oh, nein, alles an dir bleibt dran, genauso, wie Ryan es ursprünglich vorgefunden hatte. Nur noch viel schöner. Als ich mit dem Anblick meines Gesichts im Badezimmerspiegel mehr als zufrieden war, kramte ich in der Tasche, die Ryan achtlos auf dem Boden gelassen hatte und suchte akribisch nach dem passenden Outfit. Falls er zurückkommen würde. Falls nicht, würde ich wenigstens eine adrette Leiche abgeben. Damit Mills auch mal auf seine Kosten kam. Dieses miese Schwein! Reiß dich wieder zusammen, Holly! Holly, wie lächerlich, dir den Namen aus einem alten Filmklassiker auszusuchen! Wie heißt du wirklich, armes Ding ohne Namen? Guck ja nicht auf die Uhr, noch ist es nicht soweit. Was spielt es auch für eine Rolle, wie du wirklich heißt? Wenn Ryan nicht zurückkommt, hast du keine Chance zu überleben. Wie fühlt es sich an, hingerichtet zu werden, spürt man es überhaupt? Wie fühlt es sich an, sich das Leben zu nehmen? Was kommt danach? Ich entschied mich für ein kurzes, schwarzes, schulterfreies Kleid, das Ryan für mich ausgesucht hatte. Wie kam er überhaupt dazu, so viele Sachen für mich zu kaufen, wenn er die ganze Zeit von Mills festgehalten wurde, fragte ich mich plötzlich. War es etwa Alice, die er zum Einkaufen losschickte? Alice, seine platonische Freundin, die Edelprostituierte. Ich drehte mich vor dem Spiegel und bewunderte das Kleid. War das Alice’ s Geschmack? Nun sah ich endlich auf die Uhr und erschauderte: Es waren genau drei Stunden und fünfundzwanzig Minuten vergangen, seitdem Ryan das Haus verlassen hatte. Er kommt nicht zurück! Das war’ s. „Zeit für Plan B“, sagte ich verbittert und ging in die Küche, um den Tisch für eine Person zu decken. Meine Henkersmahlzeit. Genau in diesem Moment hörte ich Ryans Auto. Ich lief hinaus und warf mich in seine Arme. Er roch köstlich nach frischer Abendluft, nach Regen und nach Herbst. Nach Leben…
    „Geh wieder ins Haus, Liebling“, sagte er bestimmend, „du wirst dich noch erkälten! Ich komme gleich nach.“ Ich setzte mich an den Tisch und beobachtete fasziniert, wie er die Einkäufe hineintrug. Mehrere Kisten Wasser, Champagner, Wein, viele Plastiktüten voller Lebensmittel. Seine schön definierten Muskeln spannten sich unter seinem eng anliegenden Pullover an, wenn er etwas besonders Schweres hob. Was für ein Anblick! Als er endlich alle Einkäufe auf dem Boden abstellte, war die halbe Küche voll damit. „Wir räumen sie später ein“, sagte er und sah mich zum ersten Mal genau an. „Wow!“, hauchte er voller Bewunderung. Er ging einen Schritt zurück und musterte mich ungläubig von oben bis unten. „Ich glaube, ich träume“, flüsterte er und kam langsam auf mich zu. Sein Atem ging nur noch stoßweise. „Ich muss dich haben, Holly, jetzt auf der Stelle!“ Er hob mich hoch und trug mich ins Schlafzimmer. Dieses Mal ging es schnell und schnörkellos, ohne jegliches Vorspiel. Unsere Körper fanden sofort zueinander, verschmolzen ineinan der, gierig und hungrig und wunderbar vertraut. Als wären wir zwei Teile des gleichen Wesens, das sich danach sehnte, von seiner

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